Antragder AfD-Fraktion vom 04.12.2019
Häuslicher Gewalt entschieden entgegentreten – Unterstützung der Frauenhäuser in NRW stärken
I. Ausgangslage
Ehe und Familie stehen gemäß Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Der verfassungsrechtliche Schutz verhindert störende Eingriffe von Seiten des Staates. Nicht immer verlaufen Ehen jedoch harmonisch, sodass einer der Ehepartner staatliche Institutionen hilfesuchend in Anspruch nehmen muss. Häufig sind es die Frauen, die sich mit häuslicher Gewalt konfrontiert sehen und somit zum Schutz für Leib und Leben, insbesondere der Kinder, Hilfe suchen.
Der Mangel an Plätzen in Frauenhäusern ist in ganz Deutschland ein zentrales Problem bei der Aufnahme von gewaltbetroffenen Frauen. Die Zahl der Frauen, welche einen Platz im Frauenhaus suchen, nimmt seit Jahren zu. Proportional dazu steigt die Zahl der Frauen, welche aufgrund einer Überbelegung von den Frauenhäusern abgelehnt werden müssen.
Im Zuge der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 ist die Nachfrage durch gewaltbetroffene, geflüchtete Frauen nach Aufenthaltsplätzen in Frauenhäusern angestiegen.1 Hierdurch entstehen weitere zusätzliche Kosten zu Lasten der Frauenhäuser, beispielsweise durch den notwendig werdenden Einsatz von Dolmetschern.
So lag die durchschnittliche Auslastung der landesgeförderten Frauenhäuser im Jahre 2015 bei 79% und im Jahre 2016 bei 83%.2 Im Jahr 2015 wurden 3.800 Frauen in einem der landesweiten Frauenhäuser aufgenommen, während 4.700 Frauen im gleichen Zeitraum abgelehnt werden mussten.3
Landesweit werden vom Land Nordrhein-Westfalen insgesamt 62 Frauenhäuser gefördert. Für das Jahr 2017 standen insgesamt 571 Plätze in den Frauenhäusern zur Verfügung; im gleichen Zeitraum gab es, mangels freier Plätze, insgesamt 7.358 abgelehnte Aufnahmegesuche. Bei den abgelehnten Aufnahmegesuchen ist jedoch zu beachten, dass auch Mehrfachzählungen in die Statistik einbezogen werden.4
Zu den generell schon schwierigen Umständen für gewaltbetroffene Frauen in Frauenhäusern kommt ein weiteres spezifisches Problem hinzu, wenn die schutzsuchenden Frauen zusätzlich noch in Begleitung ihrer Kinder erscheinen.
Dieser spezifische Problembereich hat sich mittlerweile zu einem Kernbereich der Frauenhausarbeit entwickelt. Kinder sind mithin auch von der Gewalt in der Beziehung betroffen und dadurch ebenfalls belastet. So gibt es in vielen Einrichtungen zwar Zeiten und Programme der Kinderbetreuung oder Freizeitaktivitäten für Kinder, jedoch in aller Regel keine Angebote zwecks Beratung oder Aufarbeitung von Gewalterlebnissen für die mitgebrachten Kinder oder Jugendlichen. Viele Einrichtungen verfügen schlicht nicht über die Ressourcen, um im ausreichenden Maße ein eigenständiges und qualifiziertes Angebot zur Bewältigung dieser kindlichen Gewalterlebnisse sicherzustellen; daher greift die Mehrzahl der Frauenhäuser häufig auf die Expertise der Jugendämter zurück und arbeitet in Kooperation mit diesen und mit externen Angeboten für Kinder und Jugendliche. Dies bedeutet in aller Regel, dass kleine Kinder tagsüber im Frauenhaus verbleiben; die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen zumindest nachmittags. Bei besser gestellten Einrichtungen werden Betreuungen für Kinder oft durch Kooperation mit Kindertagesstätten sichergestellt. Dies ist je nach Kooperationsform und Einrichtung jedoch abhängig vom Raum- und Personalangebot und kann bei nicht ausreichendem Angebot zur Mehrbelastung für das Frauenhaus führen.5
Während im Jahre 2015 die Frauenhäuser in NRW Platz für 572 Frauen und für 621 Kinder zur Verfügung stellen konnten, reduzierte sich die Anzahl im Jahre 2016 auf 571 Plätze für Frauen und 618 Plätze für Kinder in den nordrhein-westfälischen Frauenhäusern.6
Ein besonderes Hauptaugenmerk ist hierbei auf die Gruppe von Gewalt betroffenen Frauen mit Söhnen zu richten:
So sind in den überwiegenden Einrichtungen keine ausreichenden Plätze explizit für Jungen vorgesehen. Häufig gibt es eine Altersgrenze für mitgebrachte Söhne, die überwiegend dazu führt, dass männliche Schutzsuchende mit Erreichen der Altersgrenze die Einrichtungen verlassen müssen bzw. Frauen mit älteren Söhnen generell abgelehnt werden; dies veranlasst Frauen häufig dazu, sich wieder ihrem gewalttätigen Partner zuzuwenden und konterkariert in diesen Fällen die Arbeit und den Sinn und Zweck der Frauenhäuser eklatant.7
Während Frauen mit Mädchen in jedem Alter aufgenommen werden, haben sich über 80% der Frauenhäuser individuelle Altersgrenzen für die Aufnahme von Jungen festgelegt. Diese Altersgrenzen werden von den Einrichtungen damit begründet, dass in aller Regel keine ausreichenden baulichen Gegebenheiten in den Frauenhäusern vorhanden sind. Die Wohneinheiten in den Frauenhäusern bestehen häufig aus einem Zimmer für mehrere Personen, ebenso werden Duschen und Toiletten gemeinsam genutzt. Aus dem Zusammenleben zwischen männlichen Jugendlichen und den anderen mitbewohnenden Frauen ergeben sich somit weitere soziale Schwierigkeiten, da das allgemeine Selbstverständnis der Frauenhäuser als „Frauenwelt“ beschrieben werden kann. Während gewaltbetroffene Frauen in solchen Einrichtungen eher Abstand von Männern suchen, um negative Erlebnisse mit diesen zu verarbeiten, müssen mitgebrachte Söhne von betroffenen Frauen sich in einem fremden Umfeld zurecht finden, welches vornehmlich auf die Bedürfnisse von Frauen eingerichtet ist.
Auch der „Bericht zur Situation der Frauenhäuser, der Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder der Bundesregierung“ der 17. Legislaturperiode des Bundestages kommt zu dem Ergebnis, dass eine Unterstützung für Kinder von gewaltbetroffenen Frauen, insbesondere für Jungen, dringend geboten ist. Die getrennte Unterbringung von Müttern im Frauenhaus und deren Söhnen in gesonderten Einrichtungen oder Pflegestellen stellt nicht nur eine psychisch belastende Maßnahme für beide Betroffenen dar. Dies kann die Situation für die von Gewalt, unter Umständen indirekt, mitbetroffenen Kinder erheblich erschweren und zu eventuellen Hemmnissen für eine gesunde psychische Entwicklung der Jugendlichen führen. Es ist auch nachgewiesen worden, dass das Miterleben von Gewalt in der Beziehung der Eltern selbst einen starken Risikofaktor darstellt, der im späteren eigenen Partnerschaftsleben zur erhöhten Bereitschaft der Ausübung von Gewalt gegen Partner führen kann. Allein schon aus präventiven Gesichtspunkten ist eine Unterstützung der Gruppe von gewaltbetroffenen Frauen mit Söhnen notwendig und sinnvoll.8
II. Der Landtag stellt daher fest:
1. Der Schutz von Kindern einer durch Gewalt gekennzeichneten Beziehung ist eine besondere gesamtgesellschaftliche Aufgabe und durch geeignete staatliche Maßnahmen ausreichend zu unterstützen.
2. Die Aufnahme und Unterbringung von Müttern mit Kindern, welche von häuslicher Gewalt betroffen sind, stellt Frauenhäuser vor besonderen Problemlagen, denen mit einem spezifisch mütter- und kindgerechten Lösungsansatz begegnet werden muss.
3. Insbesondere Mütter mit Söhnen in Frauenhäusern stellen eine Gruppe mit besonderen Herausforderungen dar, welche spezifischer Unterstützung bedarf, um eine weitergehende psychische Belastung durch Trennung der Mutter-Kind-Beziehung zu verhindern.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
1. Eine landesweite konzeptionelle Ausarbeitung zwecks geeigneter Kinderbetreuung nach einheitlichen bindenden Standards in Frauenhäusern zu entwickeln.
2. Die Kooperation zwischen Land und Kommunen, gekennzeichnet durch erhöhten Austausch und Einbindung der kommunalen Träger der Kinder- und Jugendhilfe mit den Frauenhäusern, zu verstärken.
3. Frauenhäuser im ausreichenden Maße mit personellen, sachlichen und finanziellen Mitteln auszustatten, um eine fachgerechte Kinderbetreuung und Unterstützung für Kinder und Jugendliche zu gewährleisten.
4. Insbesondere hierbei Maßnahmen zu ergreifen, um vermehrt Wohneinheiten innerhalb der Frauenhäuser zu errichten, um Frauen mit älteren Söhnen eine Unterbringung in diesen Einrichtungen zu ermöglichen.
Thomas Röckemann
Dr. Martin Vincentz
Iris Dworeck-Danielowski
Andreas Keith
und Fraktion
1https://www.waz.de/politik/frauenhaeuser-in-nrw-muessen-viele-gewaltopfer-abweisen-id209158323.html (abgerufen am 30.11.2018).
2 Antwort der Landesregierung vom 06.12.2017 (Drs. 17/1399) auf die Kleine Anfrage 490 vom 30.10.2017 des Abgeordneten Andreas Keith (Drs. 17/1080).
3 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/98334/Nordrhein-Westfalen-will-mehr-Plaetze-in-Frauenhaeusern-schaffenl (abgerufen am 30.11.2018).
4 Antwort der Landesregierung vom 05.06.2018 (Drs. 17/2745) auf die Kleine Anfrage 1044 vom 15.05.2018 der Abgeordneten Sarah Philipp (Drs. 17/2613) –
5 „Bericht zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder“ – Drucksache 17/10500 des Bundestages – http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/17/105/1710500.pdf (abgerufen am 30.11.2018).
6 Antwort der Landesregierung vom 06.12.2017 (Drs. 17/1399).
7 https://www.sueddeutsche.de/panorama/haeusliche-gewalt-alex-lebt-im-frauenhaus-1.3665193 (abgerufen am 30.11.2018).
8 Drucksache 17/10500 des Bundestages