Der Aufbau weiterer Meldestellen zur Erfassung von Tatbeständen und Äußerungen un¬terhalb der Strafbarkeitsgrenze ist sofort einzustellen.

Antrag
vom 03.09.2024

Antrag

der Fraktion der AfD

Der Aufbau weiterer Meldestellen zur Erfassung von Tatbeständen und Äußerungen un­terhalb der Strafbarkeitsgrenze ist sofort einzustellen.

I. Ausgangslage

Mit der geplanten Einrichtung von vier neuen Meldestellen beschreitet die Landesregierung einen bedrohlichen Weg, der Parallelen zu anderen historischen Zeiten in der deutschen Ge­schichte aufweist. Bereits im Vorfeld der geplanten, ursprünglich einjährigen Aufbauphase wurden starke Bedenken geäußert. Auch Kommunalpolitiker der auf Landesebene regierungs­tragenden CDU sprachen von einer „Übergriffigkeit des Staats“, einer „Blockwartmentalität“ oder gar einem „Spitzelsystem nach Stasi-Manier“.1

Deutliche Kritik kam auch vom früheren Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs für Nord­rhein-Westfalen, der ein Fehlen „grundlegender rechtsstaatlicher Anforderungen“ bemängelte und die Gefahr sah, dass sich die Meldestellen „zu Denunziationsstellen in privater Hand“ ent­wickeln. Problematisch sei die Tatsache, dass es sich bei den „Trägern um private Vereine handelt, die von ihrem Selbstverständnis her nicht neutral sind, sondern auf der Seite der po­tenziell Diskriminierten stehen.“ Deutliche Kritik äußerte er auch in Bezug auf das Melden von Vorgängen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze: „Darüber, ob eine Diskriminierung strafbar ist oder nicht, entscheiden in einem Rechtsstaat nicht private Vereine, sondern der Staat in dafür vorgesehenen Verfahren bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht.

Letzteren obliege auch die Prüfung, ob und inwieweit eine vermeintliche Diskriminierung unter Umständen vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist.“2

Konkret soll es bei den Meldestellen um die Erfassung von Diskriminierungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze gehen. Aus den erhobenen Daten sollen später Schlüsse für die staatliche Interventions- und Präventionspolitik gezogen werden. Dabei kommt es erneut und ganz be­wusst zu einer Vermischung staatlichen Handelns mit den Interessen privater NGOs, die zur Datenerfassung und zur Bestimmung der Kriterien dieser Datenerfassung im Vorfeld heran­gezogen werden, somit also zu einem ‚tiefen Staat‘.

Wie aus den Antworten der Landesregierung auf unsere 13 Kleine Anfragen zum Themenkreis sowie auf die Große Anfrage hervorgeht, gibt es zahlreiche offene Fragen, die von der Lan­desregierung auch nach zwei Jahren nicht adäquat beantwortet werden können.3

Generell kann die Landesregierung – selbst unter der Voraussetzung, dass man die Melde­stellen und die Auslagerung an nichtstaatliche Stellen befürworten würde – nicht eindeutig beantworten, warum z. B. bestehende Anti-Diskriminierungsstellen mit der zusätzlichen Auf­gabe überfordert wären.

Ein grundlegendes Problem ist die in der Regel fehlende Verifizierbarkeit der gemeldeten Vor­fälle. Das gilt insbesondere auch für das möglicherweise vermutete Motiv oder die angenom­mene Täter-Opfer-Beziehung. Fraglich ist zudem die Objektivität der mit der Aufgabe beauf­tragten Organisationen.4

Grundlage der neuen Meldestellen war nach Aussage der Landesregierung der Beitritt Nord­rhein-Westfalens zur bundesweiten Koalition gegen Diskriminierung, woraus Maßnahmen ge­gen Diskriminierung und sogenannte gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit abgeleitet wur­den. Auch nach der Beantwortung der aufgeführten Kleinen sowie der Großen Anfrage, blei­ben die vier neuen Themenfelder mindestens umstritten und erklärungsbedürftig.

So kann die Landesregierung beispielsweise nicht die grundlegende Frage nach einer ge­nauen Definition von „queerfeindlichen und rassistischen Vorfällen“ beantworten.

Bei der geplanten Meldestelle „antimuslimischer Rassismus“ wird dann ein kritisches Framing des legalistischen Islams offensichtlich ungeprüft übernommen. Die Zuschreibung „antimusli­mischer Rassismus“ soll bekanntlich dazu dienen, jegliche Kritik am Islam oder gar Islamismus zu verunglimpfen. Das Ziel ist dabei eindeutig, durchaus notwendige Debatten bereits im Keim zu ersticken. In diesem Zusammenhang verweigert sich die Landesregierung konsequent ei­ner kritischen Betrachtung der verwandten Begrifflichkeiten.5

Bei der Meldestelle Antiziganismus ist die Einstufung als eigene Meldestelle mehr als auffällig, insbesondere im Verhältnis zur Themenfülle der Meldestelle „Anti-Schwarzer, Anti-Asiatischer und weitere Formen von Rassismus“. Auch vor dem Hintergrund der glücklicherweise geringen Fallzahlen antiziganistischer Straftaten, lässt sich eine eigene Meldestelle nicht begründen. Vom 01.01.2017 bis 30.06.2022 – also in einem Zeitraum von 5,5 Jahren – gab es in NRW insgesamt 76 antiziganistische Straftaten, davon 10 Gewaltdelikte (Körperverletzung: 7; Sach­beschädigung: 3). In 26 von 76 Fällen konnte kein Tatverdächtiger ermittelt werden.

Mit der „Meldestelle Anti-Schwarzer, Anti-Asiatischer und weitere Formen von Rassismus“ kommt die Landesregierung endgültig in Erklärungsnot, insbesondere – auf Grundlage der geographischen Ausdehnung – bei der Definition des sogenannten „anti-asiatischen Rassis­mus“. Die Frage, was unter „weitere Formen von Rassismus“ zu verstehen sein soll, blieb bisher ebenso unbeantwortet. Skurril wird diese Meldestelle, wenn man bedenkt, dass es zu Mehrfachnennungen kommen kann. So könnte es sich ggf. zugleich um antischwarzen, anti­asiatischen und antimuslimischen Rassismus handeln. Im Zweifel liegt die Einstufung bzw. Bewertung in der Hand des vermeintlichen Opfers. Auch eine Diskriminierung zwischen den einzelnen potenziellen Opfergruppen ist möglich, mit ungeklärten Folgen für den korrekten Meldeweg.

Merkwürdig ist, dass die Landesregierung gegen alle Formen gruppenbezogener Menschen­feindlichkeit vorgehen möchte, zugleich aber eine mögliche gruppenbezogene Menschen­feindlichkeit gegen Weiße und/oder Deutsche kein Untersuchungsgegenstand der neuen Mel­destellen sein soll. Dies ist angesichts der Tatsache, dass Deutsche ohne Migrationshinter-grund an Schulen in NRW immer häufiger die klare Minderheit darstellen, sehr einseitig.

Auch die sogenannte „Hassrede“ soll zu den meldewürdigen Vorfällen zählen. Für eine Defi­nition des Begriffs verweist die Landesregierung auf die Landeszentrale für politische Bildung. Dort heißt es dann, dass es keine klare, allgemein akzeptierte Definition gebe und „Hassrede“ kein juristischer Begriff sei – was mit einem Blick ins Strafgesetzbuch zutrifft. Den sich daraus ergebenden Widerspruch konnte bzw. wollte das zuständige Ministerium bisher nicht auflösen. Einer Definition anhand des Strafgesetzbuches verweigerte man sich, was darauf schließen lässt, dass der Begriff offenbar weiter gefasst werden soll als durch das LKA, welches dem Begriff „Hassrede“ konkrete Straftatbestände zuordnet, somit also gerade nicht Handlungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze.

Ohne klare Definition kommt in diesem Zusammenhang allerdings das Ermessen ins Spiel, was besonders gefährlich ist, wenn Lobby-Organisationen mit dem Betrieb und der organisa­torischen Aufbauarbeit der Meldestellen betraut werden und eben keine staatlichen Stellen. Auf diese Weise entsteht in der Folge ein tiefer Staat, der interessengeleitete NGOs mit schein­staatlichen Aufgaben bedenkt und vorschaltet, wodurch der eigentliche Staat nach hinten, in die Tiefe rückt. Im Sinne des Rechtsstaatsprinzips der freiheitlich-demokratischen Grundord­nung ist das mehr als bedenklich.6

Auch im Rahmen der Beantwortung der Großen Anfrage 237 „Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung in der Aufbauphase der vier neuen Meldestellen in den Bereichen „Queer-feindlichkeit“, „Antimuslimischer Rassismus“, „Antiziganismus“ und „Anti-Schwarzer, antiasia­tischer und weitere Formen von Rassismus“ gewonnen?“ konnte die Landesregierung Sinn und Zweck der geplanten vier neuen Meldestellen nicht eindeutig benennen.

Die Landesregierung kann nach wie vor nicht schlüssig erklären, wie eingehende, anonyme Meldungen auf ihre Plausibilität hin überprüft werden sollen. Ebenso ist weder eine Anhörung der Gegenseite – wie in einem Rechtsstaat üblich – vorgesehen, noch das Einsetzen einer Altersgrenze für Meldungen. Ausschlaggebend ist allein das subjektive Empfinden des vor­geblich Betroffenen, welches dann von Lobbyorganisationen erfasst wird, die von Natur aus nicht neutral sind, sondern Interessen vertreten.

Begriffe wie „Queerfeindlichkeit“, „rassistischer Vorfall“, „antimuslimischer Rassismus“, „wei­tere Formen von Rassismus“ und insbesondere auch „Hassrede“ bleiben auch nach 2 Jahren somit ohne eindeutige Definition. Unwidersprochen bleibt in der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zudem erneut der links-ideologische Ansatz, dass es Rassismus gegen Weiße nicht gebe, dass diese also nur Täter, aber nie Opfer sein können.

Die Meldestellen sind offensichtlich so konzipiert, dass mit erfundenen, anonymen Meldungen dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet wurden, allerdings nur einseitig für zuvor definierte ge­sellschaftliche Gruppen und Täter-Opfer-Konstellationen. Zusammenfassend handelt es sich somit um ein weiteres rein ideologisch motiviertes Projekt, für welches allein im Haushaltsjahr 2024 – noch in der Aufbauphase also – durch den Steuerzahler eine halbe Mio. Euro aufge­bracht werden musste. Dem Steuerzahler sind derartige rein ideologisch begründete, woke Kirchturmprojekte insbesondere in der aktuellen Haushaltslage nicht länger vermittelbar. Be­reits heute gibt es in NRW 42 Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit. Mit dem Aufbau der vier neuen Meldestelle würde somit nicht nur der rechtsstaatliche Rahmen verlassen, zu­dem würden auch überflüssige und kostenintensive Doppelstrukturen geschaffen.

Bisher völlig unberücksichtigt durch das zuständige Ministerium blieb offenbar auch ein mög­licher Verstoß gegen administrative Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Danach werden Behörden und Private zu folgenden 5 Datenschutzprinzipien verpflich­tet: Rechtmäßigkeit, Datensparsamkeit, Zweckbindung, Datensicherheit und Transparenz. Eine Rechtsgrundlage zur Erfassung der Daten von Bürgern – dann auch noch durch Dritte – konnte die Landesregierung bisher nicht nennen. Insbesondere im Hinblick auf die nicht kon­kret gefassten Kriterien zur Einordnung der Speicherungswürdigkeit bei Vorfällen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Verstöße gegen die Daten-schutzgrundverordnung systematisch, wenn nicht sogar institutionell etabliert werden könnten.

Eine widerrechtliche Speicherung personenbezogener Daten konnte von der Landesregierung bisher nicht glaubhaft ausgeschlossen werden. Da nichtstaatliche Stellen mit der Datenerhe­bung und Datenverarbeitung betraut werden sollen, steht zudem zu befürchten, dass diese nicht über die erforderliche Schutzbedarfe ihrer Datenverarbeitungstechnik verfügen. Auch stellt sich die Frage, wie das Recht auf Löschung durch beauftragte Vereine ordnungsgemäß gewährleistet und umgesetzt werden soll.

Gemäß Artikel 9 Abs. 1 DS-GVO schließlich ist die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen hervorge­hen, sowie von Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Per­son untersagt. Die seitens des Ministeriums gewünschte Dunkelfeldanalyse zielt aber genau darauf ab, dass offensichtlich kritische, aber keinesfalls strafrechtlich relevante Meinungsäu­ßerungen erfasst und statistisch ausgewertet werden sollen.8

II. Der Landtag stellt fest,

  • dass es beim Aufbau der vier neuen Meldestellen auch nach 2 Jahren noch zahlreiche offene Fragen gibt;
  • dass die Registrierung von Sachverhalten unterhalb der Strafbarkeitsgrenze unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten mindestens sehr bedenklich ist;
  • dass staatliches Handeln grundsätzlich nicht aus der subjektiven Einschätzung nicht­staatlicher NGOs resultieren sollte;
  • dass die Erfassung diskriminierender Handlungen insbesondere dann nicht auf allge­meine Akzeptanz stoßen kann, wenn diese Erfassung nicht allumfassend ist, sondern im Vorfeld bereits eine Vorauswahl in Bezug auf mögliche Täter- und Opfergruppen ge­troffen wurde;
  • dass die umfassende Einhaltung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) durch die beauftragten Organisationen nicht sichergestellt ist.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • die Förderung der Meldestellen im Landeshaushalt 2025 auf den Betrag zu reduzieren, der für die sich bereits in Betrieb befindliche Meldestelle Antisemitismus erforderlich ist und
  • alle weiteren momentan vorgesehenen Mittel dieses Haushaltstitels im Haushaltsjahr 2025, also Mittel für die vier zusätzlichen Meldestellen, ersatzlos zu streichen

Christian Loose
Enxhi Seli-Zacharias
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

MMD18-10509

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/957

2 Vgl. Lt.-Drucksache 18/1092

3 Vgl. Lt. Drucksachen 18/521; 18/688; 18/789; 18/822; 18/823; 18/924; 18/949; 18/952; 18/954; 18/955; 18 956; 18/957, 18/1092 und 18/9680

4 Ebd.

5 Vgl. Lt.-Drucksache 18/10160

6 Vgl. Lt.-Drucksache 18/952

7 Vgl. Lt.-Drucksache 18/9680

8 Vgl. https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/beschwerde-gegen-meldestellen-in-nrw/ 4