Kleine Anfrage 3199
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Dr. Martin Vincentz AfD
Geschlechtsangleichende Operationen in Nordrhein-Westfalen
Für das Jahr 2021 berichtete das Statistische Bundesamt den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestags 2.598 geschlechtsangleichende Operationen, die in Deutschland vollstationär in Krankenhäusern, die nach DRG-Vergütungssystem abrechnen, durchgeführt wurden. Die Zahlen wurden dabei nach verschiedenen Alterskohorten aufgeschlüsselt, jedoch nicht nach Bundesländern.1 Das Jahr 2021 markiert damit einen absoluten Höchststand seit dem Beginn der Erfassung solcher Operationen im Jahr 2007. Dabei hat sich die Zahl der Eingriffe bis 2021 mehr als versechsfacht.2
Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine vollumfängliche Übernahme der Kosten geschlechtsangleichender Operationen durch die Gesetzlichen Krankenkassen erfolgen. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn psychiatrische und psychotherapeutische Mittel nicht im Stande sind, das Spannungsverhältnis zwischen dem körperlichen Geschlecht und der Identifikation mit dem anderen Geschlecht aufzulösen oder zumindest zu lindern. Der Eingriff muss also das einzig mögliche Mittel darstellen, mit dem der betroffenen Person noch geholfen werden kann. Ist dies der Fall, so ist eine Kostenübernahme durch die GKV nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zu gewähren.3 Die Entscheidung über die Kostenübernahme durch die Krankenkasse basiert dabei auf einer sozialmedizinischen Begutachtung. § 275 SGB V zufolge steht der Kasse dafür die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des sozialmedizinischen Beratungs- und Begutachtungsdienstes der gesetzlichen Krankenversicherung (dem sogenannten Medizinischen Dienst, kurz MDK) zu. Bei der Begutachtung muss die Begutachtungsanleitung „Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus“ befolgt werden.4
Auch wenn keine Kostenübernahme durch die GKV erfolgt, so bedarf die Durchführung einer geschlechtsangleichenden Maßnahme sowohl einer psychiatrisch/psychotherapeutischen Indikationsstellung als auch einer somatisch-ärztlichen Indikationsstellung durch den Arzt. Der Maßnahme muss darüber hinaus eine Behandlung mit psychiatrischen und psychotherapeutischen Mitteln mit einer Dauer von mindestens sechs Monaten vorausgegangen sein. Dazu ist eine therapeutisch begleitete Alltagserfahrung (bei genitalangleichenden Operationen von mindestens zwölf Monaten) erforderlich.5
All diese Voraussetzungen zeigen, dass geschlechtsangleichende Operationen einen tiefgreifenden Einschnitt in das Leben eines Menschen bedeuten, der nicht leichtsinnig oder vorschnell getroffen werden sollte und darf. Eine genaue Beobachtung der Häufigkeit geschlechtsangleichender Operationen ist daher wichtig.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie viele geschlechtsangleichende Operationen wurden in den Jahren 2018–2022 in Nordrhein-Westfalen durchgeführt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Alter und Geschlecht vor der Operation)
- Wie viele Detransitionen wurden in den Jahren 2018–2022 in Nordrhein-Westfalen durchgeführt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Alter und Geschlecht vor der Operation)
- Wie viele Retransitionen wurden in den Jahren 2018–2022 in Nordrhein-Westfalen durchgeführt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Alter und Geschlecht vor der Operation)
- In wie vielen Fällen erfolgte eine Kostenübernahme durch die Gesetzliche Krankenversicherung?
- Wie viele Begutachtungen wurden bei welcher Anzahl an eingegangenen Anträgen auf Kostenübernahme durchgeführt?
Enxhi Seli-Zacharias
Dr. Martin Vincentz
1 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags (Hg.), Einzelfragen zu geschlechtsangleichenden Operationen. Leistungen der GKV und Datenlage zur Häufigkeit operativer Eingriffe, online unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/921790/5bae174f4e7252b78d93e2b80cc6688c/WD-9-065-22-pdf-data.pdf, 10.
2 Eigene Berechnung auf Basis von ebd.
3 Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 115. EL Juni 2022, SGB V, § 27, Rn. 22; BSG, Urteil vom 6. August 1987, Az. 3 RK 15/86, BeckRS 9998, 164555.
4 Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, Begutachtungsanleitung Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 282 SGB V – Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus (ICD-10, F64.0), Stand 31. August 2020, abrufbar unter https://md-bund.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/GKV/Begutachtungsgrundlagen_GKV/BGA_Transsexualismus_2011 13.pdf.
5 Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, Begutachtungsanleitung Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 282 SGB V – Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus (ICD-10, F64.0), Stand 31. August 2020, S. 23 ff., abrufbar unter https://md-bund.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/GKV/Begutachtungsgrundlagen_GKV/BGA_Transsexualismus_2011 13.pdf.
Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 3199 mit Schreiben vom 14. Februar 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- Wie viele geschlechtsangleichende Operationen wurden in den Jahren 2018–2022 in Nordrhein-Westfalen durchgeführt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Alter und Geschlecht vor der Operation)
Da es sich bei den erbetenen Informationen um persönliche und besonders schutzwürdige Daten handelt und ein Rückschluss auf einzelne Personen zu verhindern ist, werden die Daten nachfolgend in aggregierter Form dargestellt.
Anzumerken ist außerdem, dass es sich bei den genannten Summen nicht um die Anzahl der Personen handeln muss, sondern eine Person in dem Zeitraum auch mehrfach operiert worden sein könnte.
Jahr 2018:
vorheriges Geschlecht: weiblich
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vorheriges Geschlecht: männlich
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- Wie viele Detransitionen wurden in den Jahren 2018–2022 in Nordrhein-Westfalen durchgeführt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Alter und Geschlecht vor der Operation)
- Wie viele Retransitionen wurden in den Jahren 2018–2022 in Nordrhein-Westfalen durchgeführt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Alter und Geschlecht vor der Operation)
Die Begriffe Detransition und Retransition werden synonym verwendet. Die Fragen 2 und 3 werden daher gemeinsam beantwortet.
Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Eine De- bzw. Retransition wird zum jetzigen Zeitpunkt im DRG- bzw. Abrechnungssystem nicht spezifisch über ICD- oder OPS-Codes abgebildet.
Anzumerken ist, dass eine Retransition bzw. Detransition nicht zwingend mit einer Operation einhergehen muss und viele Lebensbereiche betreffen kann.
- In wie vielen Fällen erfolgte eine Kostenübernahme durch die Gesetzliche Krankenversicherung?
Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.
- Wie viele Begutachtungen wurden bei welcher Anzahl an eingegangenen Anträgen auf Kostenübernahme durchgeführt?
Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.