Sicherheitsbedenken bei Veranstaltungen an nordrhein-westfälischen Universitäten

Große Anfrage

Große Anfrage 8

der AfD-Fraktion vom 17.03.2023

Sicherheitsbedenken bei Veranstaltungen an nordrhein-westfälischen Universitäten

Gegen einen Vortrag einer Biologin über Geschlecht und Gender an der Berliner Humboldt-Universität machte die linke Gruppierung „Arbeitskreis kritischer Jurist*innen“ mobil. Sie rief zu einer Gegendemonstration auf, da die Thesen der Biologin „unwissenschaftlich, menschen-verachtend und queer- und trans*feindlich (sic!)“ seien. Auch der „Referentinnenrat (sic!)“ der Universität habe eine E-Mail an die gesamte Studentenschaft verschickt und zur Teilnahme an der Demonstration gegen den Vortrag der Biologin aufgerufen. Die Universität sagte den Vortrag nach der Ankündigung des linken Protest-Bündnisses aufgrund von Sicherheits­bedenken wenige Stunden vor Beginn ab.1 Erst zwölf Tage später konnte der Vortrag unter großem medialen Echo an der Humboldt-Universität nachgeholt werden; an der anschließenden Podiumsdiskussion über den Vortrag nahm die vortragende Biologin nicht teil. Die teilnehmende Bildungsministerin Stark-Watzinger erklärte, dass „eine Veranstaltung, die auf dem Programm steht, nicht stattfinden zu lassen, […] natürlich der Erklärung“ bedürfe.2

Die Abgeordneten der AfD-Fraktion Andreas Keith und Carlo Clemens haben sich vor diesem Hintergrund mit der Kleinen Anfrage 96 vom 05.07.2022 an die Landesregierung gewandt, um einen Überblick über politische Proteste gegen universitäre Veranstaltungen, etwaige extremistische Bezüge dieser Protestakteure und Absagen aufgrund von Bedrohungslagen in Nordrhein-Westfalen zu erhalten.3

Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat diese Anfrage mit Schreiben vom 26. Juli 2022 im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet und mitgeteilt, dass der Landes­regierung entsprechende Daten gegenwärtig nicht vorliegen:

„Die Daten müssten bei allen Kreispolizeibehörden erhoben und händisch ausgewertet werden, da eine automatisierte Auswertung nicht möglich ist. Dies ist in der für die Beant­wortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit mit vertretbarem Aufwand nicht möglich.“4

Auf die Frage der AfD-Abgeordneten, welche Maßnahmen die Landesregierung ergreift, um die Freiheit von Forschung und Lehre bzw. die Meinungsfreiheit von Lehrpersonal bzw. Gast­dozenten, die beispielsweise nicht-linke Auffassungen vertreten, an nordrhein-westfälischen Hochschulen, Fachhochschulen und Universitäten zu gewährleisten, heißt es lediglich abstrakt:

„Das Land und die Hochschulen stellen gemäß § 4 Absatz 1 Hochschulgesetz sicher, dass die Mitglieder der Hochschulen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die durch Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz und durch das Hochschulgesetz verbürgten Rechte in der Lehre und Forschung wahrnehmen können. Die Hochschulen gewährleisten insbesondere die Freiheit, wissenschaftliche Meinungen zu verbreiten und auszutauschen (§ 4 Absatz 2 Hochschul­gesetz).“

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele politische Versammlungen, die sich gegen die Durchführung von (Bildungs-) Veranstaltungen an nordrhein-westfälischen Hochschulen, Fachhochschulen bzw. Universitäten gerichtet haben, sind seit 2010 angemeldet bzw. durchgeführt worden? (Bitte nach Art der Versammlung, Zeitpunkt, Name der Hochschule, Fachhochschule bzw. Universität aufschlüsseln.)
  2. Welche Personen, Personenzusammenschlüsse beziehungsweise (politischen) Organisationen sind bei den unter Ziffer 1 erfragten Versammlungen als Anmelder in Erscheinung getreten?
  3. Wiesen die Anmelder der unter Ziffer 1 erfragten Versammlungen Bezüge zu Phänomenbereichen des politischen Extremismus auf? (Bitte die Antwort nach den jeweiligen Phänomenbereichen aufschlüsseln.)
  4. Wiesen Einzelpersonen, Personenzusammenschlüsse beziehungsweise (politische) Organisationen, die an den unter Ziffer 1 erfragten Versammlungen teilgenommen haben, Bezüge zu Phänomenbereichen des politischen Extremismus auf? (Bitte die Antwort nach den jeweiligen Phänomenbereichen aufschlüsseln.)
  5. Gegen welche konkreten (Bildungs-)Veranstaltungen an nordrhein-westfälischen Hochschulen, Fachhochschulen bzw. Universitäten haben sich die unter Ziffer 1 erfragten Versammlungen gerichtet?
  6. Wie viele Veranstaltungen an nordrhein-westfälischen Universitäten wurden seit 2010 wegen Sicherheitsbedenken aufgrund von Bedrohungslagen abgesagt bzw. vorzeitig beendet? (Bitte die Antwort nach Zeitpunkt, betroffener Veranstaltung und Universität aufschlüsseln.)
  7. Inwieweit konnten diejenigen Personen respektive Personenzusammenschlüsse oder Organisationen, von denen eine solche Bedrohungslage ausging, aufgrund derer eine universitäre Veranstaltung abgesagt bzw. vorzeitig beendet werden musste, einem Phänomenbereich des politischen Extremismus respektive der politisch motivierten Kriminalität zugeordnet werden?
  8. Inwiefern haben sich Vertreter von Hochschulgruppen an der Organisation respektive der Durchführung der hier erfragten Protestveranstaltungen gegen die Durchführung von (Bildungs-)Veranstaltungen an nordrhein-westfälischen Hochschulen, Fachhochschulen bzw. Universitäten beteiligt?
  9. Inwiefern haben sich Vertreter von politischen Parteien oder Organisationen oder Parteijugendorganisationen an der Organisation respektive der Durchführung der hier erfragten Protestveranstaltungen gegen die Durchführung von (Bildungs-) Veranstaltungen an nordrhein-westfälischen Hochschulen, Fachhochschulen bzw. Universitäten beteiligt?
  10. Inwiefern haben sich Vertreter von Mischszenen an der Organisation respektive der Durchführung der hier erfragten Protestveranstaltungen gegen die Durchführung von (Bildungs-)Veranstaltungen an nordrhein-westfälischen Hochschulen, Fachhochschulen bzw. Universitäten beteiligt?
  11. Welche Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sind durch Polizei und Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den unter Ziffer 5 bzw. 6 erfragten Bedrohungs-lagen jeweils im Einzelfall seit 2010 ergriffen worden?
  12. Wie gestalteten sich die polizeilichen Einsatzverläufe im Zusammenhang mit den unter Ziffer 5 bzw. 6 erfragten Bedrohungslagen jeweils im Einzelfall seit 2010?
  13. Wie viele Straftaten wurden seit 2010 gegen Lehrpersonal und Verwaltungsangestellten der Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen im Zuge der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit registriert? (Bitte die Antwort nach Straftatbeständen und einer etwaigen Zuordnung zu einem Phänomenbereich der PMK aufschlüsseln.)
  14. Wie viele Straftaten sind im Zusammenhang mit den unter Ziffer 5 bzw. 6 erfragten Bedrohungslagen jeweils im Einzelfall seit 2010 verübt worden? (Bitte die Antwort nach Art und Anzahl der Straftatbestände und einer etwaigen Zuordnung zu einem Phänomenbereich der PMK aufschlüsseln.)
  15. Zu wie vielen Anklageerhebungen, Hauptverfahren, oder Verfahrenseinstellungen kam es nach Kenntnis der Landesregierung bezüglich der in der vorstehenden Frage Ziffer 13. erfragten Straftaten? (Bitte aufschlüsseln nach Anklageerhebungen, nach Hauptverhandlungen sowie nach Beendigungen durch Einstellungen und deren Gründe)
  16. Zu wie vielen Verurteilungen, Freisprüchen oder Erlassen von Strafbefehlen kam es nach Kenntnis der Landesregierung bezüglich der in der vorstehenden Frage Ziffer 13. erfragten Straftaten? (Bitte aufschlüsseln nach Urteilen, Freisprüchen, Strafbefehlen, Anzahl des jeweiligen Instanzenzuges und eingelegten Rechtsmitteln)
  17. Mit welchen ganz konkreten Maßnahmen, die über Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung im Einzelfall hinausgehen, stellen das Land und die Hochschulen vor dem Hintergrund der in dem Sachzusammenhang dieser parlamentarischen Anfrage erfragten politischen Versammlungen „gemäß § 4 Absatz 1 Hochschulgesetz sicher, dass die Mitglieder der Hochschulen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die durch Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz und durch das Hochschulgesetz verbürgten Rechte in der Lehre und Forschung wahrnehmen können“?
  18. Liegen der Landesregierung weitere Kenntnisse vor, in Form von Beschwerden, Erfahrungsberichten, Aufrufen etc. durch Lehrpersonal, Studenten oder Betroffene, die eine Störung des wissenschaftlichen Forschungs- beziehungsweise Lehrbetriebes in Nordrhein-Westfalen durch politische Versammlungen oder Einflussnahmen thematisieren?

Prof. Dr. Daniel Zerbin
Andreas Keith
Dr. Hartmut Beucker
Carlo Clemens
Klaus Esser
Christian Loose
Zacharias Schalley
Enxhi Seli-Zacharias
Sven Tritschler
Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner

 

Große Anfrage als PDF

 

Antwort der Landesregierung als PDF

 

1 H t t p s :/ / w w w . f az .net/aktuell/feuilleton/medien/humboldt-uni-sagt-vortrag-ueber-geschlecht-und-gender-ab-18146161.html (abgerufen am 10.02.2023)

2 H t t p s : // w w w . n z z . c h/ international/deutschland/debatte-um-gender-ideologie-nach-verhindertem-vortrag-aeussert-sich-bildungsministerin-stark-watzinger-ld.1693586 (abgerufen am 10.02.2023)

3 Drs. 18/152

4 Drs. 18/292, S. 2.