Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung in der Aufbauphase der vier neuen Meldestellen in den Bereichen „Queerfeindlichkeit“, „Antimuslimischer Rassismus“, „Antiziganismus“ und „Anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ gewonnen?

Große Anfrage
vom 08.03.2024

Große Anfrage 23

der Fraktion der AfD

Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung in der Aufbauphase der vier neuen Meldestellen in den Bereichen „Queerfeindlichkeit“, „Antimuslimischer Rassismus“, „Antiziganismus“ und „Anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ gewonnen?

Am 1. Juli 2022 verkündete das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration den Start der einjährigen Aufbauphase von vier neuen Meldestellen. Konkret ging es um Meldestellen in den Bereichen:1

  • Queerfeindlichkeit
  • Antimuslimischer Rassismus
  • Antiziganismus und
  • Anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus

Mittlerweile wurden auch für das Haushaltsjahr 2024 Mittel in Höhe von 810.000 Euro veranschlagt. Für die bereits bestehende Meldestelle Antisemitismus sind ca. 310.000 Euro vorgesehen, der übrige Betrag verteilt sich auf die jetzt wohl nur noch drei (statt vier) weiteren – nach wie vor im Aufbau befindlichen – Meldestellen. Für den eigentlichen Betrieb der neuen Meldestellen im Jahr 2024 ist noch ein gesondertes Antrags- und Auswahlverfahren erforderlich.2 Im Erläuterungsband zum Haushalt 2024 heißt es:

„Die Mittel sind vorgesehen für die Implementierung eines koordinierten Systems thematisch eigenständiger Meldestellen. Neben einer Meldestelle für Antisemitismus werden eigene Meldemöglichkeiten für unter anderem die Phänomen-Bereiche Antiziganismus, antimuslimischer Rassismus und allgemeiner Rassismus geschaffen. Dabei handelt es sich um niedrigschwellige Möglichkeiten der Meldung diskriminierender oder als diskriminierend empfundener Vorfälle. Neben der Erfassung gehören auch die Verifizierung, Klassifizierung, Dokumentation und Analyse der eingehenden Meldungen zu den Aufgaben. Die Meldestellen leisten Verweisberatung an Beratungsstellen für von Diskriminierung Betroffene.“3

Interessant ist hierbei, dass sich die Anzahl der neu zu schaffenden Meldestellen offensichtlich von vier auf drei reduziert hat.

Mit der geplanten Einrichtung der neuen Meldestellen beschreitet die Landesregierung neue Wege. Bereits im Vorfeld der geplanten einjährigen Aufbauphase wurden starke Bedenken geäußert. Selbst aus den Reihen von CDU-Kommunalpolitikern war von „Übergriffigkeit des Staats“, einer „Blockwartmentalität“ und gar einem „Spitzelsystem nach Stasi-Manier“ die Rede.4

Deutliche Kritik kam auch von einem früheren Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen, der ein Fehlen „grundlegender rechtsstaatlicher Anforderungen“ bemängelte und die Gefahr sah, dass sich die Meldestellen „zu Denunziationsstellen in privater Hand“ entwickeln. Problematisch sei die Tatsache, dass es sich bei den „Trägern um private Vereine handelt, die von ihrem Selbstverständnis her nicht neutral sind, sondern auf der Seite der potenziell Diskriminierten stehen.“

Deutliche Kritik äußerte der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen auch in Bezug auf das Melden von Vorgängen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze: „Darüber, ob eine Diskriminierung strafbar ist oder nicht, entscheiden in einem Rechtsstaat nicht private Vereine, sondern der Staat in dafür vorgesehenen Verfahren bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Letzteren obliege auch die Prüfung, ob und inwieweit eine vermeintliche Diskriminierung unter Umständen vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist.“5

Konkret soll es bei den Meldestellen um die Erfassung von Diskriminierungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze gehen. Aus den erhobenen Daten sollen später Schlüsse für die staatliche Interventions- und Präventionspolitik gezogen werden. Dabei kommt es erneut und ganz bewusst zu einer Vermischung staatlichen Handelns mit den Interessen privater NGOs, die zur Datenerfassung und zur Bestimmung der Kriterien dieser Datenerfassung im Vorfeld herangezogen werden.

Generell kann die Landesregierung – selbst unter der Voraussetzung, dass man die Auslagerung an nichtstaatliche Stellen befürwortet – nicht eindeutig beantworten, warum z. B. bestehende Anti-Diskriminierungsstellen mit der zusätzlichen Aufgabe überfordert wären. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund der aktuell wirtschaftlich angespannten Lage.

Ein grundlegendes Problem ist die in der Regel fehlende Verifizierbarkeit der gemeldeten Vorfälle. Das gilt insbesondere auch für das möglicherweise vermutete Motiv oder die angenommene Täter-Opfer-Beziehung. Wichtig ist auch die Objektivität der mit der Aufgabe beauftragten Stelle. Zu diesem entscheidenden Punkt findet die Landesregierung bei einer der von uns gestellten Kleinen Anfragen keinerlei Antwort und verweist stattdessen erneut auf die bestehende Aufbauarbeit.6

Grundlage der neuen Meldestellen ist nach Aussage der Landesregierung der Beitritt Nordrhein-Westfalens zur bundesweiten Koalition gegen Diskriminierung, woraus Maßnahmen gegen Diskriminierung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit abgeleitet wurden. Während es beim Thema Antisemitismus eine eindeutige Definition gibt, bleiben die vier neuen Themenfelder weitestgehend umstritten und erklärungsbedürftig.

So kann die Landesregierung im Vorfeld nicht die grundlegende Frage nach einer genauen Definition von „queerfeindlichen und rassistischen Vorfällen“ beantworten. Mit der Einrichtung einer gesonderten Meldestelle „Queerfeindlichkeit“ verfolgt die Landesregierung erneut eine einseitige Betrachtung des Themenfelds „Frauen und Gleichstellung“. Viele – mitunter weitaus schwerwiegendere – Problemstellungen wie Gewalt in der Ehe, Frauenhäuser, Kinderehen, Zwangsehen oder auch Genitalverstümmelung erfahren durch die einseitige Fokussierung und Überbetonung des Phänomens der „Queerfeindlichkeit“ nicht die erforderliche Wertschätzung. Auch die vorhandenen Probleme gleichgeschlechtlicher Paaren verlieren sich so schnell aus dem Blick.

Bei der geplanten Meldestelle „antimuslimischer Rassismus“ wird dann ein fragwürdiges Framing des legalistischen Islams offensichtlich ungeprüft übernommen. Die Zuschreibung „antimuslimischer Rassismus“ soll bekanntlich dazu dienen, jegliche Kritik am Islam oder gar Islamismus zu verunglimpfen. Das Ziel ist dabei eindeutig, durchaus notwendige Debatten bereits im Keim zu ersticken. Indem die Landesregierung konsequent die Herkunft des Begriffs ignoriert, spielt sie dem legalistischen Islam somit in die Karten. Dabei sollte doch auffällig sein, dass es diese Wortschöpfung nur in Bezug auf eine Religion gibt und andere Variationen außer Betracht bleiben, darunter insbesondere auch ein nicht zu leugnender „antichristlicher Rassismus“.7

Zudem stellt sich die Frage, ob der Name und die damit verbundene Agenda dieser Meldestelle richtig gewählt wurden, also ob beispielsweise eine offen geäußerte Kritik an Phänomenen wie Vielehe, Kinderehe, Ungleichbehandlung von Mann und Frau oder auch dem Scharia-Vorbehalt gemäß der Kairoer Erklärung (im Kontrast zur Europäischen Menschenrechtskonvention) als „antimuslimischer Rassismus“ interpretiert werden können. Rein wissenschaftlich bewegt man sich somit bei dieser Meldestelle auf dünnem Eis.

Bei der Meldestelle Antiziganismus ist die Einstufung als eigene Meldestelle, insbesondere im Verhältnis zur Themenfülle der Meldestelle „Anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“, mehr als auffällig. Auch vor dem Hintergrund der glücklicherweise geringen Fallzahlen lässt sich die Notwendigkeit einer eigenen Meldestelle nicht begründen. Der Aufbau einer eigenen Meldestelle zum Thema „Antiziganismus“ steht zudem in keinem Verhältnis zu den angezeigten Straftaten. So wurden im Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2022 insgesamt 76 Straftaten in diesem Zusammenhang verzeichnet, also ca. 1 je Monat. Darunter befanden sich 13 Gewaltdelikte – also ca. 2 je Jahr. Warum angesichts dieser geringen Fallzahl eine eigene Meldestelle erforderlich ist, muss offenbleiben.

Mit der „Meldestelle für Sonstiges“ bzw. offiziell „Meldestelle Anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ kommt die Landesregierung endgültig in Erklärungsnot, insbesondere – auf Grundlage der geografischen Ausdehnung – bei der Definition des sogenannten „antiasiatischen Rassismus“. Die Frage, was unter „weitere Formen von Rassismus“ zu verstehen sein soll, blieb bisher ebenso unbeantwortet. Geradezu skurril wirkt diese Meldestelle, wenn man bedenkt, dass es zu Mehrfachnennungen kommen kann. So könnte es sich ggf. zugleich um anti-Schwarzen, antiasiatischen und antimuslimischen Rassismus handeln. Im Zweifel liegt die Einstufung bzw. Bewertung in der Hand des vermeintlichen Opfers. Auch eine Diskriminierung zwischen den einzelnen potenziellen Opfergruppen ist möglich, mit ungeklärten Folgen für den korrekten Meldeweg.

Allgemein ist die Priorisierung der vier neuen Meldestellen sehr merkwürdig. Während es drei Meldestellen für einzelne Phänomene gibt, wird bei der vierten „anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ vieles zusammengewürfelt, was nicht zueinander passt.

Durch die Tatsache, dass beispielsweise Christenfeindlichkeit, eine Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund gegenüber Menschen ohne Migrationshintergrund oder zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen mit Migrationshintergrund keine entsprechende Berücksichtigung finden, wird belegt, dass lediglich eine einseitige Betrachtung möglicher Diskriminierungserfahrungen erwünscht ist.8 Die Landesregierung definiert somit bereits im Vorfeld mögliche Täter- und Opfergruppen. Einer darauf ausgerichteten politischen Agenda muss es zwangsläufig an der erforderlichen Neutralität und insbesondere Komplexität mangeln. Auch der Beutelsbacher Konsens wird so mit Füßen getreten.

Dazu passt, dass die fragwürdige integrationspolitische Positionierung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung offensichtlich von der Landesregierung nicht hinterfragt wird. So äußerte sich eine Vortragende auf einer Diskussionsveranstaltung des Instituts dahingehend, dass es Rassismus gegenüber Weißen schlichtweg nicht gebe. Die Leiterin des DeZIM bezeichnet sich laut Cicero selbst als „partielle Aktivistin“ und begrüßt das Zusammengehen von wissenschaftlichem und aktivistischem Handeln. Die Grunderfordernisse einer wissenschaftlichen Arbeitsweise werden folglich bereits im Vorfeld verletzt.

Manche Antworten auf unsere Kleinen Anfragen waren geeignet beim Leser gewisse Irritationen auszulösen. So soll auch die sogenannte „Hassrede“ zu den meldewürdigen Vorfällen zählen. Bei einer Definition des Begriffs verweist die Landesregierung auf die Landeszentrale für politische Bildung. Dort heißt es, dass es keine klare, allgemein akzeptierte Definition gebe und „Hatespeech“ kein juristischer Begriff sei; über Meinungsfreiheit und deren Grenzen werde immer wieder kontrovers diskutiert.

Da auch bei der Landeszentrale für politische Bildung wohl keine letztgültige Definition zu finden war, erfolgte ein weiterer Verweis, diesmal auf die Website www.klicksafe.de, die Bestandteil der „Initiative klicksafe“ im Digital Europe Programm (DIGITAL) der Europäischen Union ist und für mehr Sicherheit im Internet sorgen soll. Da dort einseitig „rechtsextreme Gruppen und Personen“ als mögliche Täter im Zusammenhang mit Hassrede identifiziert werden, die „die Möglichkeiten des Internets zur Propaganda nutzen“ – quasi unter Ausschluss aller anderen Möglichkeiten – disqualifizierte sich auch diese Quelle. Offensichtlich steht auch hier das Ziel bereits fest und es geht nur noch um den Weg. Ein offener, wissenschaftlicher Diskurs sieht anders aus.

Die sich ergebenden Widersprüche konnte die Landesregierung in ihren Antworten auf die entsprechenden Kleinen Anfragen folglich nicht auflösen.

Ohne klare Definition kommt in diesem Zusammenhang allerdings das Ermessen ins Spiel, was besonders gefährlich ist, wenn Lobby-Organisationen mit dem Betrieb und der organisatorischen Aufbauarbeit der Meldestellen betraut werden und eben keine staatlichen – also neutralen – Stellen. Auf diese Weise entsteht in der Folge ein tiefer Staat, der interessengeleitete NGOs mit quasi-staatlichen Aufgaben bedenkt und vorschaltet, wodurch der eigentliche Staat nach hinten, in die Tiefe rückt. Im Sinne des Rechtsstaatsprinzips der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist das mehr als bedenklich.9

Weiterhin kann die Landesregierung nicht die rechtliche Grundlage der vorgesehenen Diskurshoheit der NGOs benennen, die im Rahmen der Aufbauphase bestimmen sollen, welche Vorfälle erfassungswürdig sind und welche eben nicht. Dadurch wird ein vorpolitischer Raum geschaffen und NGOs eine eigentlich doch – wenn überhaupt – staatliche Aufgabe zugewiesen. Angesprochen auf die Gefahr, dass legitime Meinungsäußerungen durch einseitig definierte Grenzziehungen delegitimiert werden, antwortete die Landesregierung ausweichend mit Verweis auf die Meinungsfreiheit gemäß Grundgesetz. Damit unterschlägt sie die Tatsache, dass auch durch das Grundgesetz gedeckte Meinungsäußerungen bereits heute mindestens indirekt sanktioniert werden, wenn sie dem allgemeinen Diskurs entgegenstehen.

Die Landesregierung konnte darüber hinaus bisher keine konkreten Beispiele meldewürdiger Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze benennen, bestreitet aber zugleich die Gefahr, dass die geplanten Meldestellen durch den Geist der Denunziation zur Desintegration und Spaltung der Gesellschaft und letztendlich auch zu einer Delegitimierung des Staates beitragen könnten.10

Durchaus berechtigte Kritik auch aus den Reihen der CDU wollte die Landesregierung nicht kommentieren. Dabei war die Rede von einer „Übergriffigkeit des Staates“, von einer „Blockwärtermentalität“ oder auch von einem „Spitzelsystem nach Stasi-Manier“.11

Auf die Frage hin, wie die Landesregierung die Auswahl der in den Meldestellen zu bearbeitenden Diskriminierungsverfahren aus Opferperspektive im Hinblick darauf begründet, dass beispielsweise anti-christliche, anti-deutsche, anti-feministische sowie Diskriminierungen gegen körperlich beeinträchtigte Menschen etc. nicht erfasst werden, heißt es, dass die Landesregierung sich gegen alle Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit einsetzt und die Meldestellen ein geeignetes Instrument seien. Das ist erstaunlich, da die genannten Phänomene ausdrücklich nicht benannt werden und keine diesbezüglichen NGOs bzw. Interessenverbände in die Aufbauarbeit involviert wurden.

Schließlich haben die Kleinen Anfragen gezeigt, dass die Landesregierung nicht die Notwendigkeit zur Auslagerung der Aufbauarbeit darlegen kann, sprich: den Grund, warum das Ministerium diese Arbeit mit eigenen finanziellen und personellen Ressourcen nicht leisten kann. Mit der Auslagerung staatlicher Aufgaben an naturgemäß interessengeleitete Dritte beschreitet die Landesregierung einen gefährlichen Weg. Bedenklich ist zudem, dass berechtigte juristische Kritik bagatellisiert wird.12

Wie aus den Antworten der Landesregierung auf unsere 13 Kleinen Anfragen hervorgeht, gibt es zahlreiche offene Fragen, die sich seinerzeit nicht abschließend klären ließen und erst im Rahmen der einjährigen konzeptionellen Aufbauphase durch dafür beauftragte private NGOs beantwortet werden könnten.13

Das Ziel sei u. a., „zunächst die methodischen und theoretischen Ansätze für die Datenerhebung zu identifizieren, eine Datenbank aufzubauen, Qualitätsstandards u. a. zur Verifizierung von Meldungen zu entwickeln sowie Netzwerk- und Vertrauensarbeit zu den jeweiligen Communities zu etablieren.“14

Folgende 18 Fragen wurden mit Verweis auf die laufende Aufbauphase nicht beantwortet:

  • Kleine Anfrage 181: Fragen 1–5
  • Kleine Anfrage 156: Fragen 1–2 und 5
  • Kleine Anfrage 196: Fragen 1–3 und 5
  • Kleine Anfrage 340: Fragen 1, 3 und 4
  • Kleine Anfrage 373: Frage 4
  • Kleine Anfrage 336: Fragen 3 und 5

Zahlreiche andere Fragen wurden aus unserer Sicht nur unzureichend oder ausweichend beantwortet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es beim Aufbau der vier (oder doch drei?) neuen Meldestellen zahlreiche offene Fragen gibt, dass die Registrierung von Sachverhalten unterhalb der Strafbarkeitsgrenze bedenklich ist, dass staatliches Handeln grundsätzlich nicht aus der subjektiven Einschätzung nicht-staatlicher NGOs resultieren sollte und dass die Erfassung diskriminierender Handlungen nur auf allgemeine Akzeptanz stoßen kann, wenn diese allumfassend ist und nicht im Vorfeld bereits eine rein ideologische Vorauswahl in Bezug auf mögliche Täter- und Opfergruppen getroffen wird.

Von daher erscheint es geboten, unter Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien ausschließlich die Sicherheitsbehörden mit der Erfassung und statistischen Aufarbeitung nachweisbarer und strafbarer diskriminierender Handlungen im Rahmen der jährlichen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) und ggf. in Verbindung mit einem jährlichen Lagebild zu beauftragen. Vor dem Hintergrund, dass sich das zuständige Ministerium mittlerweile im 18. Monat der eigentlich auf 12 Monate ausgelegten Aufbauphase der neuen Meldestellen befindet und daher wohl in Kürze mit dem gesonderten Antrags- und Auswahlverfahren zu rechnen ist, sollten wichtige, bisher unbeantwortete Fragen noch im Vorfeld geklärt werden.

Fragenkatalog:

I. Nachfragen zu bisher nicht beantworteten Fragen aus vorherigen Kleinen Anfragen zum Themenkomplex „Meldestellen“

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 181 (Lt.-Drucksache 18/521) – Meldestellen für queerfeindliche und rassistische Vorfälle

Die Fragen 1–5 konnten seinerzeit mit Verweis auf die konzeptionelle Aufbauphase nicht abschließend beantwortet werden. Es wurde darauf verwiesen, dass Meldungen keine personenbezogenen Daten im Sinne von Artikel 4 Nummer 1 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) enthalten dürfen; sofern dies dennoch der Fall sein sollte, seien derartige Daten unverzüglich nach Kenntniserlangung durch die Meldestelle zu löschen. Zum anderen sei sicherzustellen, dass nicht verifizierbare Meldungen gelöscht und nicht als Vorfall gezählt werden. Verifizierbare Meldungen müssten als anonymisierte Vorfälle dokumentiert werden. Personenbezogene Anzeigen seien ausschließlich an die Polizei zu richten.

  1. Ab welchem Alter können Menschen die Meldestelle nutzen?
  2. Was passiert mit einer Meldung, wenn diese ein strafwürdiges Verhalten beinhaltet?
  3. Inwiefern werden eingereichte (anonyme) Meldungen auf Richtigkeit und Plausibilität geprüft?
  4. Wie wird in der Praxis verhindert, dass die Meldestellen Daten über die meldenden Personen, potenzielle „Täter“ sowie Täterprofile erheben?
  5. Inwiefern werden Täter-Opfer-Beziehungen in der anonymisierten Auswertung berücksichtigt?
  6. Beim Aufbau der Meldestelle Queerfeindlichkeit wäre zunächst eine korrekte Definition dieses Begriffs notwendig gewesen. Das schließt sämtliche Fallkonstellationen in diesem Themenbereich ein. In ihrer Antwort verweist die Landesregierung auch hier auf die bestehende Aufbauarbeit der Meldestellen. Inwiefern wäre es im Nachhinein nicht angebrachter gewesen, diesen entscheidenden Aspekt durch unabhängige Sachverständige im Vorfeld definieren zu lassen anstatt von entsprechenden Lobby-Organisationen?

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 156 (Lt.-Drucksache 18/688) Meldestellen zu sogenannten queerfeindlichen und rassistischen Vorfällen

Die Landesregierung konnte mit Verweis auf die konzeptionelle Aufbauphase zum damaligen Zeitpunkt nicht definieren, was als „queerfeindlicher und/oder rassistische Vorfall unterhalb der Strafbarkeitsgrenze betrachtet wird. Irritierend war die Aussage, dass „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ gegen Weiße und/oder Deutsche kein Untersuchungsgegenstand der neuen Meldestellen werden solle.

  1. Wie sind „queerfeindliche und rassistische Vorfälle“ nach Ende der Aufbauphase jetzt definiert? (Erläutern Sie bitte insbesondere, wie solche Vorfälle „unterhalb der Strafbarkeitsschwelle“ eingegrenzt werden)
  2. Welche Handlungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze sind meldewürdig und welche nicht? (Bitte mindestens mehrere Beispiele nennen)
  3. Warum ist „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ gegen Weiße und/oder Deutsche nach Ansicht der Landesregierung nachrangig?
  4. Inwiefern folgt auch die Landesregierung der irritierenden und weit verbreiteten These, dass es Rassismus gegen Weiße nicht geben kann und Weiße nur als Täter, aber keinesfalls als Opfer von Rassismus in Erscheinung treten können?
  5. Mit welchen Maßnahmen geht die Landesregierung gegen die dahinterstehende Ideologie vor?

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 239 (Lt.-Drucksache 18/798) Antiziganistische Straftaten im ersten Halbjahr 2022 Notwendigkeit einer eigenen Meldestelle für Handlungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze

Wie aus der Antwort der Landesregierung hervorgeht, wurden im Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2022 insgesamt 76 Straftaten in diesem Zusammenhang verzeichnet, also ca. 1 je Monat. Darunter befanden sich 13 Gewaltdelikte – also ca. 2 je Jahr. Angesichts dieser geringen Fallzahlen kann die Antwort der Landesregierung auf die Frage nach der Notwendigkeit einer eigenen Meldestelle in diesem Bereich nicht überzeugen. Insbesondere ließen sich aus unserer Sicht bei derart geringen Fallzahlen bestehende Strukturen nutzen und zusätzliche finanzielle Aufwendungen für den Steuerzahler verhindern.

  1. Wie begründet die Landesregierung im Nachgang der konzeptionellen Aufbauphase der neuen Meldestellen die Sonderstellung des Phänomenbereichs „Antiziganismus“ gegenüber anderen Phänomenbereichen?
  2. Warum wären – zur Vermeidung zusätzlicher finanzieller Aufwendungen für den Steuerzahler – bestehende Strukturen (z. B. Antidiskriminierungsstellen) nicht in der Lage, die Aufgabe einer Meldestelle in diesem Phänomenbereich zu übernehmen – insbesondere vor dem Hintergrund geringer Fallzahlen?
  3. Bei der vierten neuen Meldestelle fasst die Landesregierung anti-Schwarzen, anti­asiatischen und sonstigen Rassismus zusammen. Warum passte das Thema Antiziganismus vor dem Hintergrund der genannten geringen Fallzahlen nicht auch noch in den Arbeitsbereich dieser Meldestelle?

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 296 (Lt.-Drucksache 18/822) Wie objektiv können die bei den zukünftigen Meldestellen gemeldeten Vorfälle sein?

Auch bei dieser Anfrage konnten seinerzeit fast alle Fragen mit Verweis auf die konzeptionelle Aufbauphase der neuen Meldestellen nicht beantwortet werden.

  1. Wie lassen sich Äußerungen in den sozialen Medien protokollieren, ohne personenbezogene Daten zu erheben?
  2. Wer filtert dies in erster Instanz verlässlich aus, bevor der gemeldete Vorfall irgendwo gespeichert und verarbeitet wird?
  3. In welcher Form wird die Meldung des Melders überprüft?
  4. Welche objektiven Kriterien – jenseits der „Betroffenenperspektive“ des Melders – existieren für die Dokumentation?

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 291 (Lt.-Drucksache 18/823) Auswahl der Meldestellen im Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration NRW

Im Rahmen dieser Anfrage ging es u. a. darum, ob private Vereine und private Organisationen ebenso gut bzw. besser für die Ausübung staatlicher Aufgaben geeignet sind als das Ministerium selbst.

  1. Inwiefern war es im Rückblick erforderlich, die Aufbauarbeit der neuen Meldestellen an NGOs auszugliedern?
  2. Inwiefern wäre im Rückblick auch das zuständige Ministerium in der Lage gewesen, diese Aufbauarbeit mit vorhandenem Personal und vorhandenen finanziellen Mitteln zu leisten?
  3. Inwiefern hätte sich im Rückblick ein Einsparpotential im Rahmen der Aufbauphase ergeben können?

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 340 (Lt.-Drucksache 18/924) – „Meldestelle für Sonstiges“ – Merkwürdige Priorisierung der vier neuen Meldestellen

Drei von fünf Fragen konnten seinerzeit mit Verweis auf die konzeptionellen Aufbauarbeiten nicht beantwortet werden. Unklar blieb auch die Frage nach abweichenden Täter-Opfer-Konstellationen. So ist zwar eine Meldestelle „antimuslimischer Rassismus“ vorgesehen, nicht aber eine Meldestelle mit gespiegelten Vorzeichen. Das wirft die berechtigte Frage auf, warum die Landesregierung eine derartige Priorisierung vornimmt. Phänomene wie Christenfeindlichkeit, Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund gegenüber Menschen ohne Migrationshintergrund oder zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen mit Migrationshintergrund scheint die Landesregierung offensichtlich ebenfalls nicht im Blick zu haben.

  1. Wie soll nach Ansicht der Landesregierung die Meldestelle „anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ – unabhängig von der generellen Bewertung der Meldestellen – bei der Fülle möglicher Rassismen und der geschilderten Komplexität seiner Aufgabe gerecht werden?
  2. Beim Zuschnitt der Meldestellen fällt auf, dass es keine jeweilige Spiegelung gibt. So soll es z. B. antimuslimischen Rassismus geben, aber keinen Rassismus bzw. keine Diskriminierung, die von Muslimen ausgeht. Wie plant die Landesregierung diese Problematik im Zusammenhang mit den Meldestellen zu lösen, wonach einige Personengruppen scheinbar nur als mögliche Täter, nicht aber als mögliche Opfer auftauchen (und umgekehrt)?
  3. Was verbirgt sich hinter der Bezeichnung „weitere Formen des Rassismus“? (Bitte im Detail aufschlüsseln)
  4. Welche wissenschaftlich genauere Definition von „antiasiatischem Rassismus“ gibt es seit der Beantwortung der zitierten vorherigen Kleinen Anfrage von Seiten der Landesregierung bzw. der Träger?
  5. Inwiefern kann die Landesregierung mittlerweile den Begriff des antiasiatischen Rassismus einordnen?
  6. Welche Nationen, Kulturkreise und Religionsgemeinschaften fallen unter diese Zuordnung?
  7. In der vierten Meldestelle soll es auch um „sonstige Formen des Rassismus“ gehen. Welche Formen des Rassismus gehören dazu und welche nicht?
  8. Warum findet die Problematik anderer Diskriminierungen (beispielsweise Christenfeindlichkeit, Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund gegenüber Menschen ohne Migrationshintergrund oder zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen mit Migrationshintergrund) von Seiten der Landesregierung im Zusammenhang mit den neuen Meldestellen keinerlei Beachtung?
  9. Mit welchen Maßnahmen begegnet die Landesregierung generell dem Problem der „Christenfeindlichkeit“ – also abgesehen von den Meldestellen?

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 373 (Lt.-Drucksache 18/949) – Die Rolle des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) innerhalb der Meldestelle anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus

Die Fragen 4 und 5 konnten seinerzeit mit Verweis auf die konzeptionellen Aufbauarbeiten nicht beantwortet werden.

  1. Inwiefern soll die Definition von Rassismus des DeZIM innerhalb der Meldestellen zukünftig Anwendung finden?
  2. Inwieweit soll es analog zum Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor einen regionalen Monitor für NRW geben?
  3. Auch von Seiten des am Aufbau der Meldestellen beteiligten Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) gibt es Stimmen, dass es Rassismus gegen Weiße nicht gebe. Inwiefern stimmt die Landesregierung dieser Bewertung zu?
  4. Inwiefern hält die Landesregierung eine Institution, in der es derartige Stimmen gibt, für geeignet, an diesem Projekt teilzunehmen?
  5. Die Landesregierung sieht in Verbindung mit den Meldestellen keine Gefahr der Desintegration und Spaltung der Gesellschaft durch einen Geist der Denunziation, ohne dies näher auszuführen. Mit welcher Argumentation kann die Landesregierung diese Bedenken ausräumen?

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 336 (Lt.-Drucksache 18/952) – Wie definiert die Landesregierung in Bezug auf die geplanten Meldestellen den Begriff der „Hassrede“?

Hierbei ging es um eine Einordnung und Definition des Begriffs der „Hassrede“. So soll es sich zwar um einen meldewürdigen Vorgang handeln, gleichzeitig blieb die Landesregierung aber bisher eine genaue Definition des Begriffs schuldig.

  1. Wie definiert die Landesregierung den Begriff der „Hassrede“? (Bitte im Detail erläutern)
  2. Welche Formen bzw. Urheber von „Hassrede“ gibt es nach Ansicht der Landesregierung?
  3. Kann „Hassrede“ nach Ansicht der Landesregierung auch links bzw. islamistisch motiviert sein?
  4. An wen richten sich Betroffene in diesen Fällen?
  5. Inwiefern sind alle Formen der „Hassrede“ – unabhängig von der Täter-Opfer-Konstellation – nach Ansicht der Landesregierung gleichwertig?
  6. Welche Formen der „Hassrede“ sind zwar nicht strafrechtlich relevant, gehören aber trotzdem zu den meldewürdigen Vorfällen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze? (Bitte die Kriterien und konkrete Beispiele nennen)
  7. Wie begründet sich die Meldewürdigkeit dieser Vorfälle?
  8. Wo befindet sich die Grenze zu einer grundgesetzlich geschützten Meinungsäußerung und wer bestimmt diese Grenze? (Bitte anhand von Beispielen genau abgrenzen)
  9. Nach welcher rechtlichen Grundlage erfolgt die Definition des Begriffs „Hassrede“?
  10. Inwiefern sollten die Meldestellen in der Aufbauphase Kriterien für meldewürdige „Hassrede“ definieren, die sie selbst im späteren Betrieb dann protokollieren wird?
  11. Welche rechtliche Legitimation haben NGOs zur Definition des Begriffs „Hassrede“? (Bitte die Rechtsgrundlage zur Verlagerung dieser Aufgabe an eine nicht-staatliche Institution benennen)
  12. Bei der Definition des Begriffs der Hassrede verweist die Landesregierung auf die Landeszentrale für politische Bildung. Diese erklärt, dass es keine klare allgemeine Definition gibt und dass es sich um keinen juristischen Begriff handelt. Wie konnten dann erst NGOs vor einem derart unklaren Hintergrund in diesem Zusammenhang Aufbauarbeit für die Meldestellen leisten?
  13. Die Landeszentrale verweist auf eine Definition, in der es heißt: „Meinungen, die im realen Leben oft nur von einer Minderheit offen vertreten werden, sind mit wenigen Klicks veröffentlicht und finden im Internet eine große Bühne. Dahinter stehen nicht selten rechtsextreme Gruppen und Personen, die die Möglichkeiten des Internets für ihre Propaganda nutzen.“ Sind abweichende Minderheitenmeinungen auch nach Ansicht der Landesregierung generell rechtsextrem oder gibt es auch andere Möglichkeiten?
  14. Auch eine abweichende Meinung zur Flüchtlingskrise wird dort bereits als Hassrede eingestuft. Inwiefern wird der demokratische Diskurs bei einer derartigen verengten Definition politisch aufgeladen?
  15. Auch die angebliche Instrumentalisierung von sexualisierter Gewalt gegen Frauen soll bereits unter die Einstufung als Hassrede fallen. Inwiefern stimmt die Landesregierung dieser Bewertung zu? (Bitte in diesem Zusammenhang konkrete Beispiele nennen)

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 337 (Lt.-Drucksache 18/954) Wer garantiert die Neutralität und Objektivität der Meldestellen?

Die Landesregierung konnte in ihrer Antwort nicht abschließend klären, warum die Vorgaben zur Erfassung nicht strafrechtlich relevanter Sachverhalte nicht direkt von ihr selbst vorgenommen wurden. Dieser Aspekt ist von Bedeutung, da aus den erhobenen Daten staatliches Handeln resultieren soll. Ebenso konnte die Sorge nicht ausgeräumt werden, dass die Gefahr besteht, legitime Meinungsäußerungen durch einseitig definierte Grenzziehungen zu delegitimieren.

  1. Auf welcher rechtlichen Grundlage haben die beteiligten privaten NGOs erfassungswürdige Sachverhalte definiert, die sie im Anschluss an die Aufbauphase der Meldestellen dann ggf. selbst erfassen sollen, ohne dabei in Interessenskonflikte zu geraten?
  2. Warum wurden die Vorgaben zur Erfassung nicht strafrechtlich relevanter Sachverhalte nicht von der Landesregierung, sondern ausgelagert durch private NGOs vorgenommen?
  3. Aus welcher rechtlichen Grundlage resultiert die Möglichkeit, dass NGOs die Richtlinien für späteres staatliches Handeln bestimmen?
  4. Inwiefern besteht die Gefahr, dass legitime Meinungsäußerungen zukünftig durch einseitig definierte Grenzziehungen delegitimiert werden?
  5. Wie schließt die Landesregierung aus, dass der legitime und grundgesetzlich garantierte Meinungskorridor durch Meldestellen eingeschränkt wird, indem strafrechtlich irrelevante Äußerungen oder Handlungen zu meldewürdigen Vorgängen im Sinne der Meldestellen degradiert werden?

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 338 (Lt.-Drucksache 18/955) Möglicher Missbrauch der geplanten Institution der Meldestellen

Auch die Problematik eines möglichen Missbrauchs der Meldestellen konnte die Landesregierung nicht abschließend klären. Die Tatsache, dass konkrete Beispiele für meldewürdige Vorfälle angeblich erst nach der Betriebsaufnahme der Meldestellen genannt werden können, ist ebenfalls inakzeptabel, da es sich hier schließlich um eine aus Steuermitteln finanzierte Institution handeln soll.

  1. Welche konkreten Beispiele für meldewürdige Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze kann die Landesregierung 18 Monate nach Beginn der Aufbauphase benennen? (Bitte jeweils mehrere Beispiele für alle vier geplanten Meldestellen aufführen)
  2. Inwiefern besteht nach Ansicht der Landesregierung die Gefahr, dass die geplanten Meldestellen durch den Geist der Denunziation zur Desintegration und Spaltung der Gesellschaft und letztendlich auch zu einer Delegitimierung des Staates beitragen könnten? (Bitte im Detail begründen)
  3. Wie wird die Landesregierung sicherstellen, dass eingehende personenbezogene Daten unter Berücksichtigung des Datenschutzes korrekt und vollumfänglich gelöscht werden?
  4. Jeder Bürger soll aus seiner persönlichen Wahrnehmung heraus zukünftig Diskriminierungen melden können, wenn er zu einer bestimmten Opfergruppe gehört. Wie passt das mit der naturgemäß fehlenden juristischen Ausbildung vieler Bürger zusammen?
  5. Was befähigt die für den späteren Betrieb ausgewählten NGOs vor dem Hintergrund zahlreicher möglicher Fallkonstellationen dazu, sicher zu bestimmen, welche Meldungen verifizierbar sind und somit als Zählfall in die Statistik eingehen?
  6. Welchen Wert haben Meldungen, die allein aus der Betroffenheitsperspektive erfolgen, ohne – wie in einem Rechtsstaat üblich – die Gegenseite anzuhören?
  7. Wie begegnet die Landesregierung der Gefahr, dass die Träger der Meldestelle ihre private Vorstellung von Gesellschaft, „Vielfalt“ oder auch Sexualität zum subjektiven Bewertungskriterium erheben?
  8. Gemäß der Antwort der Landesregierung auf die 5. Frage der Kleinen Anfrage 338 sollte der Aufbau der Meldestellen wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden. Wer wurde mit dieser wissenschaftlichen Begleitung beauftragt?
  9. Was hat die Evaluation ergeben?

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 341 (Lt.-Drucksache 18/956) – Unterdrückung legitimer Kritik durch die geplante Meldestelle „antimuslimischer Rassismus“?

Im Rahmen der Antwort auf diese Kleine Anfrage war die Landesregierung seinerzeit nicht in der Lage, den Begriff „antimuslimischer Rassismus“ abschließend zu definieren und entsprechende Beispiele zu nennen. Die Grenze zwischen berechtigter Religionskritik und meldewürdigen Vorgängen blieb aus unserer Sicht bewusst diffus. Unbeantwortet blieb auch die Frage nach einer neutralen Erfassung meldewürdiger Vorgänge, wenn die beteiligten NGOs als Lobbyvertreter gleichzeitig von Natur aus nicht neutral sind. Auf die Frage, wie mit Vorfällen gegenüber (vermutet) muslimischen Menschen umgegangen werden soll, wenn die meldewürdigen Vorfälle von Personen ausgehen, die unter den „Schutzbereich“ einer der anderen Meldestellen fallen, also beispielsweise Schwarze oder Asiaten, konnte die Landesregierung ebenso keine abschließende Aussage tätigen.

  1. Wie definiert die Landesregierung den Begriff „antimuslimischer Rassismus“ genau, also unter Berücksichtigung zahlreicher verschiedener Glaubensrichtungen innerhalb des Islams, die oftmals auch untereinander in Konflikt stehen, sowie der räumlichen Ausdehnung muslimisch geprägter (Herkunfts-)Länder?
  2. Inwiefern ist der Landesregierung die Herkunft des Begriffs „antimuslimischer Rassismus“ überhaupt bekannt?
  3. Welche Verbindung sieht die Landesregierung zwischen dem legalistischen Islam und der Heranziehung des Begriffs „antimuslimischer Rassismus“ zur Delegitimierung jeglicher Kritik am Islam (als Religion)?
  4. Wo befindet sich nach Ansicht der Landesregierung in Bezug auf Islamkritik die Grenze zwischen der grundgesetzlich verbrieften Meinungsfreiheit und meldewürdigen Vorfällen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze unter Berücksichtigung der Bewertung des Islamismus als radikale Ausprägung des Islam in den Verfassungsschutzberichten sowie der Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, die sich mit der Scharia auseinandersetzt? (Bitte in diesem Zusammenhang Beispiele nennen, welche Vorgänge/Äußerungen meldewürdig sind und welche eben nicht)
  5. Mit welchen Mitteln wird die Landesregierung bei den Trägern der Meldestelle verhindern, dass gemeldete Vorgänge nicht nur aus der Opferperspektive, sondern rechtsstaatlich neutral gegenüber meldenden und gemeldeten Personen registriert und weiterbearbeitet werden – sprich: dass nicht-meldewürdige Vorfälle zu Zählfällen in der Statistik werden?
  6. Auch die Frage, wie mit Vorfällen umzugehen ist, die sich gegen (vermutet) muslimische Menschen richten, wenn die meldewürdigen Vorfälle zugleich aber von Personen ausgehen, die unter den „Schutzbereich“ einer der anderen Meldestellen fallen, also beispielsweise Schwarze oder Asiaten, blieb ungeklärt. Wie sollen Vorfälle mit derartigen Täter-Opfer-Konstellationen statistisch sauber erfasst werden?

Nachfragen zur Kleinen Anfrage 339 (Lt.-Drucksache 18/1092) Private Meldestellen für Tatbestände oder Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze Beschreitet die Landesregierung einen gefährlichen Pfad?

Auf die Frage, inwiefern durch die Meldestellen – nach Ansicht der Landesregierung – die Grenzen zwischen strafrechtlich relevant und irrelevant oder auch legal und illegal von staatlicher Seite verschoben werden, antwortete die Landesregierung, dass die Tätigkeit der Meldestellen auf die Erfassung eines Phänomens abzielt und die Bewertung etwaiger strafrechtlicher Relevanz allein den Strafverfolgungsbehörden obliegt. Da aus den erfassten Meldungen staatliches Handeln resultieren soll, erscheint die Antwort nicht ausreichend. Auch die Antwort auf die Frage, auf Basis welcher rechtlichen Grundlage die Landesregierung die Grenze zwischen einer grundgesetzlich geschützten Meinungsäußerung und einer für die Meldestellen erfassungswürdigen Äußerung unterhalb der strafrechtlichen Relevanz definiert, geht am Kern des Problems vorbei.

  1. Warum sollen grundgesetzlich geschützte und legale Meinungsäußerungen überhaupt erfasst werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass hieraus staatliches Handeln resultieren soll?
  2. Inwiefern resultiert nach Ansicht der Landesregierung aus der Priorisierung der Meldestellen in Bezug auf meldewürdige Phänomene ein rechtliches Ungleichgewicht?
  3. Inwiefern werden dadurch nach Ansicht der Landesregierung die Grenzen zwischen strafrechtlich relevant und irrelevant oder auch legal und illegal von staatlicher Seite verschoben?
  4. Wie begründet die Landesregierung die Auswahl der in den Meldestellen zu bearbeitenden Diskriminierungsverfahren aus der Opferperspektive heraus und im Hinblick darauf, dass beispielsweise anti-christliche, anti-deutsche, anti-feministische Diskriminierungen wie auch solche gegen körperlich beeinträchtigte Menschen etc. nicht erfasst bzw. nur nachrangig behandelt werden?

II. Weitere Fragen

  1. Sind aktuell – wie zu Anfang der Aufbauphase – vier neue Meldestellen vorgesehen oder, wie aus dem aktuellen Haushaltsplan zu entnehmen, nur noch drei?
  2. Wie ist es zu der Planungsänderung gekommen – auch bezogen auf die Zuständigkeiten der einzelnen Meldestellen?
  3. Folgt man der neuen Einteilung, sind Meldestellen in den Phänomenbereichen Antiziganismus, antimuslimischer Rassismus und allgemeiner Rassismus vorgesehen. Inwiefern fallen die ursprünglich geplanten Meldestellen „Queerfeindlichkeit“ und „Anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ jetzt unter die neue Kategorie „allgemeiner Rassismus“?
  4. Inwiefern wurden im Zuge der Umplanung weitere, in der Ursprungsplanung noch nicht vorgesehene Phänomenbereiche in die Meldestelle „allgemeiner Rassismus“ aufgenommen?
  5. Welche Phänomenbereiche fallen jetzt unter den Sammelbegriff „allgemeiner Rassismus“?
  6. Wie begründet sich bei einer Reduzierung auf drei Meldestellen die noch eklatantere Betonung der Phänomene Antiziganismus und antimuslimischer Rassismus in Form eigenständiger Meldestellen?

Enxhi Seli-Zacharias
Sven W. Tritschler
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith
Klaus Esser
Dr. Hartmut Beucker
Dr. Christian Blex
Carlo Clemens
Christian Loose
Zacharias Schalley
Markus Wagner
Prof. Dr. Daniel Zerbin

 

MMD18-8402

 

Antwort der Landesregierung

 

1 https://www.land.nrw/pressemitteilung/aufbau-von-vier-meldestellen-zu-queerfeindlichen-und-rassistischen-vorfaellen

2 Vgl. Lt.-Vorlage 18/1667

3 Lt.-Vorlage 18/1450

4 Vgl. Lt.-Drucksache 18/957

5 Lt.-Drucksache 18/1092

6 Ebd.

7 Vgl. www.opendoors.de

8 Vgl. Lt.-Drucksache 18/924; Frage 5

9 Vgl. Lt.-Drucksache 18/952

10 Vgl. Lt.-Drucksache 18/955

11 Vgl. Lt.-Drucksache 18/957

12 Vgl. Lt.-Drucksache 18/1092

13 Vgl. Lt. Drucksachen 18/521; 18/688; 18/789; 18/822; 18/823; 18/924; 18/949; 18/952; 18/954; 18/955; 18 956; 18/957 und 18/1092

14 Ebd.