Antrag
der Abgeordneten der Fraktion der AfD
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zur Einschleusung wohlhabender Migranten nach NRW unter Umgehung ausländerrechtlicher Vorgaben (PUA „Luxus-Schleuser“)
I. Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses
Der Landtag von Nordrhein-Westfalen setzt einen aus elf stimmberechtigten Mitgliedern und einer entsprechenden Zahl von stellvertretenden Mitgliedern bestehenden Untersuchungsausschuss ein. Die Verteilung der zu vergebenden Sitze im Untersuchungsausschuss erfolgt folgendermaßen:
CDU: 4 Mitglieder,
SPD: 3 Mitglieder,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 2 Mitglieder,
FDP: 1 Mitglied,
AfD: 1 Mitglied.
II. Sachverhalt
Eine Gruppe bestehend aus Anwälten, Behördenmitarbeitern, Privatpersonen sowie einflussreichen Parteifunktionären verschiedener Parteien soll seit 2015 in großem Stil wohlhabende Migranten – überwiegend aus China – gegen hohe Geldleistungen nach Deutschland geholt haben. So wurden u. a. illegale Aufenthaltstitel, Scheinbeschäftigungen und Scheinwohnsitze vermittelt. Mehrere Mitarbeiter der kommunalen Ausländerbehörden stehen unter dringendem Tatverdacht der Mitwisser- bzw. Mittäterschaft. Mitte April 2024 kam es zu einer großangeleg-ten bundesweiten Razzia in acht Bundesländern mit einem Schwerpunkt in NRW. Ersten Erkenntnissen folgend sollen die anfangs 38 Bandenmitglieder 147 Personen nach Deutschland geschleust haben. Zuzüglich der später nachgeholten Familienangehörigen soll es sich um etwa 350 zumeist chinesische Staatsangehörige handeln. Neben dem Vorwurf der Schleusung steht auch der Verdacht der Bestechung und Geldwäsche im Raum.
Bei den Hauptverdächtigen handelt es sich um zwei Rechtsanwälte aus Köln und Frechen. Verdächtigt wird zudem insbesondere ein hoher SPD-Funktionär aus Düren sowie ein ehemaliger und ein aktueller CDU-Landrat.
Wie im Kölner Stadtanzeiger dargelegt, gab es bei der illegalen Einschleusung zwei Phasen:1 Phase 1:
„Die Menschen, die nach Deutschland wollten, seien auf Internet-Plattformen und in Video-Präsentation angeworben worden, sagen die Ermittler. Beim Live-Chat zum „Residenzprogramm Deutschland“ wurde demnach beispielsweise der „Zugang zu erstklassigen Gesundheitseinrichtungen auf Weltklasse-Niveau“, ein „kostenloser Unterricht in Schulen und Universitäten mit Lehrveranstaltungen in Englisch“ oder „der Anspruch auf (die deutsche) Staatsbürgerschaft“ nach acht Jahren versprochen.
Bei der Beschaffung der Visa seien anfangs Investitionen der Einreisewilligen in Deutschland vorgetäuscht worden. Damit dies zur Einreise berechtige, müsse es für das Investment „ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis“ geben, heißt es auf der Homepage der Bundesregierung. Es müsse sicher sein, dass die Tätigkeit „positive Auswirkungen“ auf die hiesige Wirtschaft „erwarten“ lasse. Die Finanzierung des Vorhabens müsse zudem durch „Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage“ gesichert sein. Um dies vorzugaukeln, erteilten die Antragsteller der Kölner Anwalts-Sozietät zunächst eine Generalvollmacht. Von dort aus sollen den Behörden dann frei erfundene Business-Pläne, fingierte Wohnsitze sowie die Anteile der Chinesen an deutschen Scheinfirmen vorgelegt worden sein.
Oder das Eigentum an einer Immobile als Vermögensnachweis, die dann halt gekauft, aber nie bezogen wurde. In der Regel konnten die Chinesen noch nicht einmal über die Grundstücke verfügen, die sie erworben hatten, heißt es. Im Handelsregister Wuppertal jedenfalls wurden sie als Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft registriert, in Düren als selbstständige Kaufleute. Und meist kurze Zeit nach der Einreise beantragten sie eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, die wegen der angeblichen Geschäftstätigkeit meist auch genehmigt wurde.“
Phase 2:
„Im Jahr 2017 musste dieses Vorgehen offenbar angepasst werden, da bei Mitarbeitern der deutschen Auslandsvertretungen in China (insbesondere in Kanton) Zweifel aufkamen, dass die Antragsteller tatsächlich in Deutschland selbständig tätig sein würden. Daraufhin änderten die Schleuser ihre Taktik. Ab jetzt sei keine Selbständigkeit mehr vorgetäuscht worden, sondern es seien gefälschte Arbeitsverträge etwa als „Geschäftsführer“ in deutschen Unternehmen vorgelegt worden. In ihren Anträgen bezogen sich die Schleuser jetzt auf den damaligen Paragraph 19a des Aufenthaltsgesetzes, der den Zuzug zur „qualifizierten Beschäftigung“ er-laubt.“2
Bekannt ist mittlerweile auch, wie sich die enormen Kosten der Einschleusung für die einreisewilligen Personen (bis zu 360.000 Euro) zusammengesetzt haben:
- 000 Euro: Investitionsbetrag in einen angeblichen Entwicklungsfonds
- 000 Euro: vorgetäuschte Wohnanschrift
- 000 Euro: Anwaltskosten
- 000 Euro: für die mutmaßlich vorgetäuschte Geschäftstätigkeit
- 000 Euro: für nicht näher spezifizierte „Beratungskosten“
Im Paket enthalten waren die Verhandlungen und Anträge bei den deutschen Behörden, etwa für ein Visum, einen Arbeitsvertrag oder die gewünschte Aufenthaltsgenehmigung.3
Weiter heißt es im Kölner Stadtanzeiger: „Das komplizierte Konstrukt soll 29 Unternehmen und 205 sogenannte Anderkonten beinhaltet haben, auf die die Kunden der mutmaßlichen Schleuser den Ermittlungen zufolge insgesamt 9,2 Millionen Euro eingezahlt haben. Mit dem Geld sollen beispielsweise die Scheinfirmen gegründet und vermeintliche Lohnzahlungen vorgetäuscht worden sein. Darüber hinaus hätten sich die Beschuldigten mit „nicht unerheblichen Beträgen“ an dem eingezahlten Geld „bereichert“.“4
Ein weiterer Hauptbeschuldigter, der nach der Razzia im April lange Zeit in Untersuchungshaft saß, ist mit B. ein einst führenden SPD-Funktionär und Leiter der Stabsstelle für Innovation im Landkreis Düren. Im Raum stand hier der Vorwurf, dass er mit 300.000 Euro geschmiert worden sei.
Berichtet wird auch von einer Einflussnahme auf die Dürener Ausländerbehörde. „Seit 2018 habe er für die Schleuser Probleme bei der Ausländerbehörde in Düren gelöst.“ B. leitete zudem auch die I. GmbH. Ob es hier Verbindungen zum Schleuserskandal gibt und falls ja, welche, ist noch völlig unklar.
Die zu Unrecht ausgestellten Aufenthaltserlaubnisse stammen aus mehreren kommunalen Ausländerämtern, u. a. in Solingen, im Rhein-Erft-Kreis, Kerpen und Düren. Eine Aufklärung der genauen Umstände an dieser sensiblen Stelle ist unumgänglich.
Nicht minder skandalös sind umfangreiche Parteispenden eines der hauptbeschuldigten Anwälte, insbesondere an die CDU. Insgesamt fast 53.000 Euro soll dieser im Zeitraum von 2020 bis 2023 an Kreisverbände und Gliederungen der CDU gespendet haben, darunter in kurzer zeitlicher Folge drei Spenden à 9.990 Euro an den Kreisverband des Innenministers Herbert Reul. Laut Verwendungsnachweis sollten die Spenden seinerzeit für den Landtagswahlkampf 2022 verwandt worden sein.
Angeblich besteht auch ein Anfangsverdacht, dass ein regional führender Politiker für eine Spende Türen bei Ausländerämtern geöffnet haben könnte. In dem Zusammenhang wurde bei einem Christdemokraten im Rhein-Erft-Kreis eine Durchsuchung durchgeführt.5
Wie aus einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers vom 2. August 2024 hervorgeht, hat der SPD-Funktionär B. im Rahmen der Befragung durch die Ermittlungsbehörden insbesondere den Dürener CDU-Landrat Wolfgang Spelthahn schwer belastet.6 Bei seiner Vernehmung am 4. Juli gab er nach Informationen des Kölner Stadtanzeigers in einer schriftlichen Erklärung zu Protokoll, „von der Schleuserbande um den mutmaßlichen Kopf […] Schmiergelder in sechsstelliger Höhe angenommen zu haben“.
Laut B. soll Landrat Spelthahn die Aktivitäten der Schleuser unterstützt haben. Auch soll es finanzielle Hilfen für den Fußballclub 1. FC Düren gegeben haben, in dem Spelthahn Präsident ist. Weiter heißt es im Artikel: „In 81 Fällen sollen Spelthahn und B. laut Durchsuchungsbeschluss geholfen haben, den „Kunden“ der Schleuser-Bande über das Ausländeramt einen deutschen Aufenthaltstitel zu beschaffen. Den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft zufolge wurden die erschlichenen Aufenthaltsgenehmigungen dann in einigen Fällen sogar verlängert, obwohl sich die angeblichen Migranten gar nicht in Deutschland aufhielten. […] Das Geständnis am 4. Juli brachte dem Beschuldigten B. die Freiheit.
In seiner schriftlichen Einlassung schilderte der SPD-Funktionär den Verlauf der Affäre seit ihrem Beginn im Jahr 2017. Seinerzeit habe er die mutmaßlichen Bandenchefs im Büro des Landrats kennengelernt. Es sei über ausländische Investoren gesprochen worden. Fortan traf sich B. häufiger mit [B]. Vollmundig referierte der Frechener Anwalt über „China als Wirtschaftsmacht“, über die Chancen, sollte man reiche Geldgeber aus Fernost nach Deutschland kommen lassen.“7
Im Frühjahr 2018 soll es zu einer China-Reisen gekommen sein, an der angeblich CDU-Landrat Spelthahn, SPD-Funktionär B., der mutmaßliche Schleuser-Jurist B. sowie zwei Geschäftsleute beteiligt waren. B. soll in seiner Funktion als „Türöffner“ je „Klient“ zwischen 500 und 1500 Euro in bar erhalten haben. Im Jahr 2023 stand angeblich eine weitere Chinareise unter Beteiligung von B. und Spelthahn an. Nach Informationen des Kölner Stadt-Anzeigers hat auch der mutmaßliche Schleuser-Chef B. den Dürener Landrat in einer Vernehmung während der Untersuchungshaft belastet. Was den Fußballverein betreffe, sei der CDU-Politiker stets auf der Suche nach Geldgebern gewesen, was auch Anwalt B. in einer Vernehmung ausgesagt habe. Deshalb sei eine Firma des Netzwerks als Trikotsponsor eingesprungen, eine andere sei mit Bandenwerbung im Stadion vertreten gewesen.8
Wie die Aachener Zeitung meldet, hat die I. GmbH – bedingt durch B.s Tätigkeit – mittlerweile „externe Wirtschaftsprüfer beauftragt, alle Geschäftsvorgänge der jüngeren Vergangenheit genau unter die Lupe zu nehmen.“ Deren Bericht liege zwar mittlerweile vor, werde aber „mit Blick auf zu erwartende arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen nicht kommuniziert“. Im Artikel heißt es weiter: „Nach Recherchen unserer Zeitung sind schon im April zwei Rechnungen gefunden worden, an denen nun auch die Wirtschaftsprüfer Anstoß genommen haben sollen. Hierbei geht es um vermeintliche Leistungen des Frechener Anwalts B. […] für die I. GmbH. Rechnungsbetrag: jeweils 20.000 Euro. Nach Informationen unserer Zeitung ist offenbar nicht ersichtlich, welche Leistungen B. dafür erbracht hatte. Dennoch seien sie aber von B. zur Zahlung freigegeben worden. Heute stellt sich die Frage: Wofür ist das Geld geflossen?“9
III. Erkenntnisse aus der bisherigen parlamentarischen Behandlung des Schleuser-skandals im Landtag NRW
Der Schleuserskandal wurde erstmals kurz nach der Razzia im April 2024 im Rahmen einer Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD am 25.04.2024 thematisiert.10 Im Innenausschuss wurde die Thematik bereits mehrmals behandelt, am 28.05.2024 im Rahmen einer Sondersitzung11; am 06.06.2024 unter TOP 1812 sowie am 27.06.2024 unter TOP 1013. Hierbei ging es insbesondere um die Spenden des Hauptbeschuldigten B. an den CDU-Kreisverband des Innenministers Herbert Reul, eine Schilderung der Zuständigkeiten bei den laufenden Ermittlungen sowie eine Schilderung der Razzia an sich. Im Rahmen der Behandlung einer mündlichen Frage am 12.06.2024 ging es in erster Linie um die Spenden an den CDU-Kreisverband des Innenministers.14
Zudem gab es zum Schleuserskandal mittlerweile 25 Kleine Anfragen (21 AfD15; 4 SPD16), in denen jeweils neue Erkenntnisse – meist aus der Presse – aufgegriffen und durch Nachfragen an die Landesregierung vertieft wurden. Die in den Kleinen Anfragen verlinkten Pressemeldungen bieten dabei einen guten Überblick über die bisherigen Erkenntnisse.
In der Antwort auf die Kleine Anfrage 3822 heißt es bezugnehmend auf die beiden hauptbe-schuldigten Anwälte, dass ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern sowie der Bestechung und der Bestechlichkeit, jeweils in einem besonders schweren Fall, geführt werde. In Bezug auf die vermutlich beteiligten Ausländerbehörden wurden der Kreis Düren, der Rhein-Erft-Kreis, die Stadt Kerpen sowie die Stadt Solingen genannt. Ferner wurde eine Überprüfung der Vorgänge, die über die Zentralstelle für Fachkräfteeinwanderung (ZFE) abgewickelt wurden, sowie der Vorgänge der Ausländerbehörden des Rhein-Kreises Neuss und der kreisfreien Stadt Krefeld angekündigt.
In der Kleinen Anfrage 3843 ging es insbesondere um die Verwicklung der Dürener Ausländerbehörde in den Schleuserskandal. In einer WDR-Recherche hieß es dazu: „In der dortigen Ausländerbehörde landeten zuletzt die Anträge des mutmaßlichen Schleusernetzwerks für wohlhabende Chinesen auf dem Tisch. Und B. soll gegen ein sattes Bestechungsgeld seinen Einfluss im Kreishaus geltend gemacht haben und dafür gesorgt haben, dass bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse alles glatt ging.“17
Pikant ist in diesem Zusammenhang die Besetzung des Dezernats III im Dürener Kreishaus. Bei der Dezernatsleiterin im Amt für Integrations- und Ausländerangelegenheiten handelt es sich um die ehemalige Landtagsabgeordnete Sybille Haußmann (Bündnis 90/Die Grünen), die Ehefrau des derzeitigen Verkehrsministers Oliver Krischer (ebenfalls Bündnis 90/Die Grünen). In ihrer Zeit als Abgeordnete war sie die migrations- und rechtspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Danach war sie als Migrationsbeauftragte der Kreisverwaltung Düren tätig. Seit 2010 war sie dort Leiterin der Stabsstelle für Migrationsangelegenheiten. Derzeit leitet sie wie erwähnt das Dezernat III. Zugleich ist sie Mitglied im Kreisvorstand der Grünen in Düren. Folglich war die ehemalige Abgeordnete Haußmann während des kompletten Zeitraums des aktuellen Schleuserskandals im besonders betroffenen Kreis Düren an entscheidender Stelle tätig.
Die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 29.05.2024 im Wesentlichen berichtet, es bestehe der Verdacht, dass einzelne Mitarbeiter des Ausländeramtes des Kreises Düren in Kenntnis des Umstandes, dass die eingereichten Antragsnachweise inhaltlich unzutreffend waren, Aufenthaltserlaubnisse erteilt haben. Bezüglich der Beschuldigungen gegen Sybille Haußmann wollte sich die Landesregierung nicht äußern. Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr habe erst aus den Medien am Tag der Hausdurchsuchungen von den Schleuser-Vorwürfen erfahren. Zugleich musste die Landesregierung zugeben, dass sich der Minister und der beschuldigte SPD-Funktionär B. seit mindestens 1994 kennen.
Zudem wurde bekannt, dass allein in der kommunalen Ausländerbehörde Düren in den Jahren 2015 bis 2023 mutmaßlich insgesamt 222 Aufenthaltserlaubnisse zu Unrecht erteilt wurden. In einem Artikel des Kölner Stadtanzeigers vom 20.08.2024 heißt es dazu, dass im Kreis Dü-ren 231 Personen eine zunächst auf 2 Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung erhielten und deren Verlängerung in Aussicht gestellt wurde. Damit liegt der Kreis Düren weit vor anderen Ausländerämtern, in denen es offenbar nicht so reibungslos verlief (Rhein-Erft-Kreis: 33 Genehmigungen, Stadt Solingen: 11, Stadt Kerpen: 36) Dabei ist bei den meisten eingeschleusten Personen der derzeitige Aufenthaltsort völlig unklar, was eine mögliche Strafverfolgung und Rücknahme der Aufenthaltstitel erheblich erschwert.18
Die Kleine Anfrage 3837 ergab, dass hinsichtlich des Rhein-Erft-Kreises der Verdacht besteht, dass einzelne Mitarbeiter des dortigen Ausländeramtes Aufenthaltserlaubnisse in Kenntnis des Umstandes erteilt haben, dass die eingereichten Antragsnachweise inhaltlich unzutreffend waren.
Weitere Details lieferte die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4022. Danach wurden im Ausländeramt des Rhein-Erft-Kreises in den Jahren 2018 bis 2019 mutmaßlich 33 Aufenthaltserlaubnisse (33 * China) zu Unrecht erteilt. Im Ausländeramt der Stadt Kerpen waren es im gleichen Zeitraum 36 Aufenthaltserlaubnisse (36 * China). Im Ausländeramt der Stadt Solingen verteilten sich 48 zu Unrecht erteilte Aufenthaltserlaubnisse auf die Jahre 2016 bis 2019 (21 * China, 14 * Oman, 5 * Iran, 4 * Türkei, 2 * Indien, 1 * Pakistan, 1 * Dominica) In allen drei kommunalen Ausländerbehörden besteht der Verdacht, dass einzelne Bedienstete Aufenthaltserlaubnisse trotz Kenntnis inhaltlich unzutreffender Antragsnachweise erteilt haben.
Im Rahmen der Kleinen Anfragen 3838 und 3871 ging es um die Parteispenden an die CDU. Nach ersten internen Recherchen der Partei sind in den Jahren 2020 bis 2023 angeblich acht Einzelspenden in einer Höhe von insgesamt 52.500 Euro vom besagten Hauptverdächtigen im Schleuserskandal an die CDU geflossen. Auffällig ist die Spendenhöhe, die sich teilweise nur ganz knapp unter der Veröffentlichungsgrenze von 10.000 Euro bewegte. Sechs Spenden gingen an die CDU im Rhein-Erft-Kreis und im Rheinisch-Bergischen Kreis, zwei Zuwendungen kamen der Jungen Union in NRW und im Bund zugute. Im Detail soll es sich um folgende Spendensummen handeln: CDU-Kreisverband Rhein-Erft (rd. 12.500 Euro), CDU-Kreisverband Rhein-Berg (rd. 30.000 Euro) sowie Junge Union (rd. 10.000 Euro). Die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 29.05.2024 im Wesentlichen berichtet, dass hinsichtlich des genauen Umfangs der Spenden, der Personalien der Spender und der jeweils Begünstigten keine hinreichend belastbaren Erkenntnisse vorliegen, um eine abschließende Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt zu ermöglichen.
Einer der hauptbeschuldigten Anwälte ist zugleich Miteigentümer der Berliner Lobbyfirma Re-public Affairs. Seine Kanzlei werbe laut Informationen der WELT damit, dass sie beim Kampf gegen den „Fachkräftemangel“ und bei der Beschaffung von Visa, Aufenthaltserlaubnissen oder Einbürgerungen helfen könne. Bezüglich möglicher Verbindungen der Lobbyfirma nach China oder gar zum Schleuserskandal teilte die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf im Rahmen der Kleinen Anfrage 3847 unter dem 29.05.2024 im Wesentlichen mit, dass die Firma Republic Affairs nach derzeitigem Ermittlungsstand keine Rolle bei den verfahrensgegenständlichen Taten spiele. Von Interesse sind aber die Beziehungen des Hauptbeschuldigten zu Republic Affairs generell, da in der Vergangenheit auch Kontakte zum Ministerium des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen bestanden.19
Völlig unklar ist bisher auch, warum eine chinesische Staatsbürgerin dem beschuldigten Rechtsanwalt offenbar Ende 2020 eine Generalvollmacht ausgestellt hat, woraufhin dieser im Namen der Chinesin am Kauf eines „Freudenhauses“ in Köln mitgewirkt habe. Presseberichten folgend wird vermutet, dass eine umgebaute Etage dieses Etablissements der diskreten Beherbergung chinesischer Agenten diente, sogenannter Recruiter, die in Deutschland neue Spione anwerben sollen.
Ähnlich interessant im Zusammenhang mit dem aktuellen Schleuserskandal ist möglicherweise auch die Vorgänger-Agentur von Republic Affairs, die PKS Kommunikations- und Strategieberatung. Ersten Recherchen folgend scheint es auch hier Kontakte zu China zu geben. Zudem wird der hauptbeschuldigte Anwalt B. als mittlerweile ausgeschiedener Geschäftsführer genannt.20 Die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD (4309) im Zusammenhang mit der PKS Kommunikations- und Strategieberatung steht derzeit noch aus.
Die Kleine Anfrage 3869 ergab insbesondere, dass nach derzeitigem Ermittlungsstand in zwei Fällen fingierte Arbeitsverträge an die Zentralstelle Fachkräfteeinwanderung NRW (ZFE NRW) gingen. In beiden Fällen kam es zu einer Empfehlung der ZFE NRW zur Erteilung sogenannter D-Visa für einen längerfristigen Aufenthalt.
Im Rahmen der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3875 hat die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf dem Ministerium der Justiz unter dem 29.05.2024 im Wesentlichen berichtet, dass sich das bei der Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen (ZeOS NRW) anhängige Verfahren u. a. wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern und der Bestechung bzw. Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall derzeit gegen 206 Beschuldigte richte, davon 58 mutmaßliche Bandenmitglieder und 148 geschleuste Hauptantragsteller. Gegenwärtig werde von ca. 350 insgesamt geschleusten Personen ausgegangen. Den mutmaßlichen Bandenmitgliedern werde vorgeworfen, seit dem Jahr 2015 in unterschiedlicher Beteiligung den ausländischen Hauptantragstellern und deren Familienmitgliedern gegen Zahlung von Geldbeträgen zwischen 30.000 und 350.000 Euro zur Einreise und zum dauerhaften Aufenthalt in Deutschland verholfen zu haben, indem sie bei den Ausländerämtern der Städte Kerpen und Solingen sowie des Rhein-Erft-Kreises und des Kreises Düren durch Vorlage inhaltlich unzutreffender ausländerrechtlicher Nachweise die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen erwirkten. Seit dem Jahr 2018 soll dabei ein Angestellter des Kreises Düren gegen regelmäßige Barzuwendungen Einfluss auf die seitens des Kreises Düren zu treffenden Entscheidungen genommen haben.
Im Rahmen der Kleinen Anfrage 3933 wurde insbesondere der Frage nachgegangen, warum es erst 2024 zu der großangelegten Razzia kam, obwohl das deutsche Generalkonsulat im südchinesischen Kanton bereits im März 2018 bei einer Überprüfung der Solinger Vorgänge Alarm geschlagen hat. Dies gehe Pressemeldungen folgend aus einem Papier des deutschen Generalkonsulats hervor. Dabei wurde detailliert eine der Maschen beschrieben, mit denen die Chinesen anfangs nach Deutschland gebracht wurden. Sogar der Frechener Anwalt B. wurde bereits zum damaligen Zeitpunkt als mutmaßlicher Drahtzieher genannt.
Die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 14.06.2024 im Wesentlichen berichtet, dass das Generalkonsulat Kanton mit einem an das Auswärtige Amt gerichteten Schreiben vom 17.12.2018 am Beispiel von Anträgen einer Kölner Rechtsanwaltskanzlei auf eine mögliche Beteiligung deutscher Anwaltskanzleien an Visumsanträgen nach § 21 AufenthG zur Umgehung aufenthaltsrechtlicher Regelungen hingewiesen habe. Die Bundespolizei begann mit der Prüfung des Tatvorwurfes und legte am 20.11.2020 der Staatsanwaltschaft Düsseldorf einen Anzeigevorgang vor. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf dauern an.
Der Zeitraum der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen stelle dabei angesichts der dreistelligen Anzahl der mutmaßlich Tatbeteiligten, der Komplexität und des Umfangs der Tatvorwürfe sowie unter Berücksichtigung des bei Gericht erforderlichen Zeitrahmens zur Prüfung des jeweils erforderlichen Verdachtsgrades hinsichtlich der Vielzahl der beantragten Beschlüsse eine übliche Verfahrensdauer im Bereich der Organisierten Kriminalität dar.
In der Antwort auf die Kleinen Anfrage 4103 hieß es Bezug nehmend auf die Vorgänge im Generalkonsulat in Kanton: „Das BMI leitete dem damaligen MKFFI [in NRW] im Januar 2015 eine Information der deutschen Auslandsvertretung in Peking über eine Häufung bestimmter Konstellationen bei der Visabeantragung von chinesischen Staatsbürgern, die ein Visum gem. § 21 AufenthG beantragten weiter. […] Nach hiesigem Kenntnisstand wurden sämtliche damals betroffenen Visaanträge abgelehnt.“ Nähere Details konnte die Landesregierung mit Verweis auf die Zuständigkeit des Bundes nicht nennen.
Die Aussage des Innenministers im Rahmen der Sondersitzung des Innenausschusses am 28.05.2024 war Grundlage der Kleinen Anfrage 3934. Der Minister führte hierbei aus: „Ich habe hier noch einen Brief vorliegen von einem Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der mir vor geraumer Zeit am 5.6.2023 geschrieben hat. Ich zitiere mal einen Teil: „Mir wurde im Rahmen direkter Besuche wie auch auf schriftlichem Wege mitgeteilt, dass es in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf das beschleunigte Fachkräfteverfahren vielfach Probleme gebe, da die Zentralstelle Fachkräfteeinwanderung bei der Bezirksregierung Köln erhebliche Bearbeitungszeiten für entsprechende Anträge benötigt. Mir wurde von den Anfragenden mitgeteilt, dass die Anträge teils mehrere Monate in Anspruch nehmen und damit in dieser Zeit die Fachkräfte aus ihren Heimatländern nicht nach Deutschland kommen können. Mir wurde mitgeteilt, erklärte die Behörde auf Nachfrage der Firmen, dass sie personell zu gering ausgestattet seien und so weiter. [Das stellt] ein großes Problem dar. […] Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn sich um das Thema kümmern würden.“ Was mache ich denn mit so einem Brief? Ich kann sagen, Gott sei Dank habe ich nichts gemacht. In dem Fall da wäre ich jetzt voll am Fliegenfänger, Fachkräfte aus China.“
Die genauen Umstände sowie der Name des Bundestagsabgeordneten bleiben bisher unbekannt.
Die Kleine Anfrage 3935 lieferte erste Erkenntnisse zur Zusammensetzung der Beschuldigten der Schleuserskandals. Danach soll es sich in 187 Fällen um Privatpersonen handeln. Bei einer Person soll es sich um einen Parteifunktionär handeln, bei 16 weiteren Personen um Bedienstete kommunaler Behörden, Gesellschaften oder Dienstleister.
Im Rahmen der Kleinen Anfrage 3857 ging es insbesondere um die Treffen des Innenministers mit dem hauptbeschuldigten Anwalt B. Dazu heißt es in der Antwort: „Das erste Gespräch am 18.02.2022 war als Kennlerngespräch zwischen Herrn B. und mir in meinem Büro angelegt, nachdem mir signalisiert wurde, dass er meine Arbeit als Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützen wolle. Am 25.03.2022, 01.04.2022 und 07.04.2022 referierte ich in Krefeld und Köln zum Thema „Innere Sicherheit“. Am 16.08.2022 und 28.09.2022 fanden dann jeweils Gespräche in meinem Büro zu Themen meines Ressorts statt. In einem Fall ging es mit Vertretern des Deutschen Sportwettenverbandes um den im Jahre 2021 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag, im anderen Fall mit einem Vertreter des privaten Sicherheitsgewerbes um die polizeiliche Begleitung von Schwerlasttransporten. Am 18.04.2023 schließlich referierte ich ein weiteres Mal in Köln zum Thema „Innere Sicherheit“. Bei den Fachgesprächen und Vorträgen stand jeweils der Austausch über verschiedene Themen und Aspekte der Inneren Sicherheit im Fokus meines Interesses. Vorsorglich und ergänzend weise ich darauf hin, dass am 29.09.2022 ein Gespräch zu parteipolitischen Themen stattfand, das aufgrund unmittelbar angrenzender Termine in meinem Büro stattfand.“
Bezüglich möglicher Spenden aus dem Kreis der Hauptbeschuldigten wollte sich die Landesregierung im Rahmen der Kleinen Anfrage 3870 nicht äußern. Grundlage sind Presseberichte, wonach die SPD in Solingen Spenden aus dem Umfeld der Schleuserbande erhalten habe soll. In Bezug auf mögliche Verwicklungen mit dem Schleuserskandal im Solinger Rathaus, in der kommunalen Ausländerbehörde sowie im örtlichen SPD-Kreisverband war die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4018 erneut zurückhaltend, insbesondere zum Schutz noch laufender Ermittlungen. Nach Aussage der Leitenden Oberstaatanwältin in Düsseldorf bestehe gegen einzelne Bedienstete des Ausländeramtes der Stadt Solingen der Verdacht, sie hätten in Kenntnis inhaltlich unzutreffender Antragsnachweise Aufenthaltserlaubnisse ausgestellt. Auch die Frage, ob durch Spenden an den SPD-Kreisverband Solingen der Straftatbestand der Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Amtsträgern erfüllt sei, ist derzeit noch Gegenstand laufender Ermittlungen.
Wie aus einem Bericht der BILD21 hervorgeht, soll Solingens Oberbürgermeister Kurzbach (SPD) in mindestens einem Fall Einfluss auf Entscheidungen der Ausländerbehörde bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ausgeübt haben. Im BILD-Artikel heißt es weiter: „Aus den Ermittlungsakten geht hervor, dass das deutsche Generalkonsulat im südchinesischen Kanton bereits im März 2018 bei einer Überprüfung der Solinger Vorgänge Alarm geschlagen hatte. Demnach sei in Solingen politischer Druck auf die zuständigen Behörden ausgeübt worden, um rechtliche Bedenken bei Anträgen für die Aufenthaltstitel in Deutschland zu entkräften. Denn in Solingen sollte über eine offene Handelsgesellschaft (oHG) der Schleuser angeblich eine Seniorenanlage mit 80 Einheiten entwickelt werden. Reizvoll für eine Pleite-Stadt wie Solingen. Eine Frau W. aus Peking, Betreiberin eines Schönheitssalons, sollte zukünftige Finanzchefin der oHG in Solingen werden. Stolze 400 000 Euro sollte die Chinesin dafür bezahlen. Staatsanwaltschaft und das deutsche Konsulat in Kanton gehen davon aus, dass hier wie auch bei weiteren dubiosen Investoren aus China dieselbe IHK-Stellungnahme erfolgte. Wenn man dem IHK-Chef glauben darf, ist diese Regelung nach dem mysteriösen „ergänzenden Gespräch“ mit dem Oberbürgermeister entstanden.“ Ein Ermittler sagte aus: „Das sind vermutlich viele Scheinfirmen, die ausgerechnet der Spender an die Solinger SPD in seiner ehemaligen Hauptverwaltung untergebracht hat. Das müsste eigentlich auch den Behörden klar gewesen sein. Jetzt gilt es zu klären, wer wen in dieser Organisation unterstützt, illegal gefördert und dafür vielleicht auch die Hand aufgehalten hat.“
Der WDR berichtete ergänzend: „Auch der Beigeordnete W. gibt an, dass offenkundig gegen ihn als Chef der Ausländerbehörde ermittelt werde. Die Schleuser sollen reichen Chinesen Aufenthaltsgenehmigungen auch in Solingen ermöglicht haben. In einer Mitteilung der Stadtverwaltung gehe Tim Kurzbach davon aus, dass einer der Hauptverdächtigen in dem Fall gleich mehrere Personen als angebliche Mitwisser belastet hat.“22 Auch der Geschäftsführer der Solinger Wirtschaftsförderung war im Juni einvernehmlich freigestellt worden. Gegen ihn wird ebenfalls in dem Komplex ermittelt.23
Im Rahmen der Kleinen Anfrage 4017 ging es insbesondere um die beschuldigten Ausländerdezernenten der Stadt Düren, darunter auch um Sybille Haußmann, die Ehefrau des Ministers für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen). Aus ermittlungstaktischen Gründen wurde hierbei noch von einer umfassenden Aufklärung der näheren Umstände abgesehen. Erneuert wurde die Aussage, dass sämtliche Kabinettsmitglieder erst im Wege der Presseberichterstattung vom Gegenstand der benannten Ermittlungen Kenntnis erlangten – also auch Minister Krischer. Der hauptbeschuldigte SPD-Funktionär B. war dem Minister dagegen seit längerem bekannt, u. a. durch seine Tätigkeit aus Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft I. GmbH.
Ende Juli wurde bekannt, dass die Liste der NRW-Minister, die der Frechener Anwalt B. für seine Zwecke einspannen wollte, länger als bisher angenommen ist. Das geht aus den Ergebnissen der Telefonüberwachung der ermittelnden Behörden hervor. Informationen des Kölner Stadtanzeigers folgend verfügte B. über zahlreiche Kontakte zu regionalen und überregionalen aktiven oder einst einflussreichen Politikern von CDU, Grünen und SPD. Seinem Steuerberater soll er gesagt haben, dass er seine Kontakte auch für „die Sache mit den Chinesen“ nutzen wolle. Offen ist hierbei noch die Frage, ob und in welchem Umfang er als Mitbesitzer der Berliner Kommunikationsagentur Republic Affairs seine dortigen Kontakte missbräuchlich genutzt hat.
Aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3918 der SPD gehen weitere Kontakte hervor: „Demnach arrangierte der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Hubert Kleinert am 27. April 2023 einen Termin im Umweltministerium bei seinem Parteifreund Oliver Krischer, dem NRW-Umweltminister. Letztlich empfing am 26. Juni 2023 nicht der Minister, sondern Staatssekretär Viktor Haase (Grüne) eine Delegation mit Kleinert und dem mittlerweile beschuldigten Schleuserboss [B.]“. Auch Ernst Schwanhold, ehemals langjähriger Bundestagsabgeordneter und SPD-Wirtschaftsminister, soll in dieser Angelegenheit seinen Einfluss in einem Telefonat mit der grünen NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur geltend zu machen. Die Diskussion gipfelte schließlich Ende August in einer Videokonferenz mit den beiden grünen Ministern Neubaur und Krischer sowie Vertretern der Quarzwerke samt Schwanhold und Anwalt B.24
Bezogen auf die Kontakte zum Innenminister geht aus den belauschten Telefonaten hervor, dass B. gezielt das Gespräch mit dem Landesinnenminister suchen wolle. „Am Handy erkundigte sich der Jurist bei einem seiner mutmaßlichen Komplizen, wie dieser zu Herbert Reul stehe. Bei dem Gesprächspartner handelte es sich um einen vermögenden Unternehmer. [B.] schlug vor, den Kontakt zum Innenminister durch eine Parteispende herzustellen. Dann wolle er sich zwei Stunden mit Reul zusammensetzen und ein paar Themen besprechen. Ferner sei es doch eine Überlegung wert, eine mehrköpfige Gruppe aus dem Netzwerk zusammenzutrommeln, um den Innenminister dann dazu einzuladen. Dies könnte superspannend werden. Zwei Tage später berichtete B. einem altgedienten CDU-Politiker, dass er beim Minister gewesen sei. Der früher führende CDU-Politiker mahnte den Anwalt, in einer Überweisung höchstens 9.999 Euro anzuweisen. Alles andere sei verdächtig. Laut Parteiengesetz müssen Beträge ab 10.000 Euro öffentlich ausgewiesen werden. [B.] tat wie ihm empfohlen.“25
Dem Kölner Stadtanzeiger folgend belegen die abgehörten Telefonate, dass „der mutmaßliche Schleuserboss die knapp 30.000 Euro im Glauben spendete, dass ihm der Kontakt zu einem der führenden Kabinettsmitglieder der Landesregierung möglicherweise irgendwann nützen könnte.“ Des Weiteren heißt es, dass sich die ehemalige Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Gisela Manderla über Republic Affairs im Oktober 2023 für ein Meeting der nordrhein-westfälischen Ministerin für Kommunales und Bau Ina Scharrenbach (CDU), mit dem mutmaßlichen Schleuserboss sowie dem ebenfalls lange Zeit in U-Haft befindlichen Dürener SPD-Funktionär und damaligen Chef der kommunalen I.-Entwicklungsgesellschaft B. eingesetzt habe. Gescheitert seien dagegen zwei Versuche des Schleuser-Chefs, ein Gespräch mit dem nordrhein-westfälischen Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zu vereinbaren. Bekannt seien dagegen Kontakte von B. zum Amtschef der Staatskanzlei, Staatssekretär Bernd Schulte.26
Laut WAZ gab es zudem Kontakte der mutmaßlichen Schleuser-Chefs in die Regierungszentrale von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU): „Wie erst jetzt herauskommt, ist Anwalt B. ein Studienfreund von Staatssekretär Bernd Schulte (CDU), dem Amtschef der Staatskanzlei. Im Mai 2023 habe der Beschuldigte dem Staatssekretär „einen kurzen Besuch in dessen Büro abgestattet“, räumt die Landesregierung ein. Gesprächsinhalt: unbekannt. Im November 2023 hielt Schulte dann auf Bitten von B. einen Vortrag in Köln, am 8. April 2024 ging man zusammen in der Domstadt essen.“27
Neben den bereits bekannten Kontakten mit Innenminister Herbert Reul gab es somit Kontakte des Hauptbeschuldigten zu mindestens drei weiteren Ministern sowie zur Staatskanzlei, wobei die Personalien Neubauer und Scharrenbach im Zusammenhang mit dem „Luxus-Schleuser-Skandal“ neu sind.
Wie aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3823 hervorgeht, kam es in den Jahren 2018 bis 2022 in erheblichem Umfang zu Korruptionsstraftaten durch Amtsträger bzw. gem. § 334 StGB (Bestechung) durch Dritte gegenüber Amtsträgern. Auffallend ist hierbei die unzureichende statistische Erfassung. Weder wird eine etwaige Parteizugehörigkeit entsprechend erfasst noch die konkret betroffenen Behörden. Vor diesem Hintergrund muss die Antwort der Landesregierung als nicht zufriedenstellend bewertet werden.28
Zwei Kleine Anfragen zu den Hauptbeschuldigten Werner Stump (Kleine Anfrage 4201) und Wolfgang Spelthahn (Kleine Anfrage 4172) blieben mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen dagegen unbeantwortet.
Bezogen auf den Ex-Landrat Werner Stump ging es um erhebliche Verdachtsmomente der Staatsanwaltschaft. Im Kölner Stadtanzeiger hieß es dazu: „Stump soll sich den Ermittlungen zufolge tief in das Geschäftssystem der Schleuser verstrickt haben. Nach wie vor geht die Staatsanwaltschaft aber von einem Anfangsverdacht aus. Bis zu einer Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Stumps Firmen sollen […] ein Baustein im System des komplizierten Firmengeflechtes gewesen sein, mit dem die Bande ihre Tätigkeiten nach Ansicht der Ermittler verschleiern wollte. Als es immer schwieriger wurde, die Migranten aus Fernost als Investoren nach Deutschland zu bringen, sollen sie zu dringend gesuchten Fachkräften deklariert worden sein. In den deutschen Unternehmen des Netzwerkes, die teilweise nur zum Schein gegründet worden seien, erhielten die Zuwanderer demnach Arbeitsverträge als Führungskräfte, ohne jemals dort tätig zu werden. Der monatlich ausgezahlte Lohn für die nicht geleistete Arbeit sei von den Kunden der mutmaßlichen Schleuser-Truppe über einen komplizierten ‚Konten-Kreislauf‘ letztlich wieder an die Bande zurücktransferiert worden.“29
Weiter heißt es, dass durch Firmen, in denen Stump etwa als Geschäftsführer tätig war, wohl gefälschte Arbeitsverträge ausgestellt wurden. Als Schein-Meldeadresse diente angeblich oftmals das oben genannte Anwesen. Die Schein-Migranten, für die beim Ausländeramt Kerpen eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt wurde, zahlten den Ermittlungen zufolge gut 2,3 Millionen Euro auf die Konten der mutmaßlichen Schleuser. Die Einnahmen seien dann an die „Deutsch-chinesische Trade OHG“ und von da aus an eine 2017 gegründete Hotelgesellschaft überwiesen worden, deren einziger vertretungsberechtigter Geschäftsführer damals Werner Stump gewesen sei. „Unter anderem sollte die OHG mit dem mutmaßlichen Schlepper-Geld das Hotel kaufen, das Stump und seiner Frau gehörte. Als Kaufpreis seien damals 2,5 Millionen Euro vereinbart worden, von denen den Ermittlungen zufolge bisher etwa 1,5 Millionen Euro geflossen sind.“
Im Kölner Stadtanzeiger heißt es am 20.08.2024 zudem: „Der frühere Landrat Stump pflegte schon seit Jahren Kontakte nach China. In seinem Hotel stieg 2020 die „Deutsch-chinesische Trade OHG“ mit einer fast 95-prozentigen Beteiligung in die Hotelgeschäfte ein. 2023 erhielt das Hotel einen weiteren Geschäftsführer. Dieser ist zudem Prokurist bei dem Frechener Unternehmen, das ebenfalls in die Schleuseraffäre verstrickt sein soll.“30
Im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage 4172 wollten wir die Recherchen des Spiegels sowie des Kölner Stadtanzeigers in Bezug auf den Landrat Wolfgang Spelthahn näher beleuchten. Wie aus einem Bericht des Spiegels31 hervorgeht, haben Ermittler die Privat- und Büroräume des Dürener Landrats Wolfgang Spelthahn durchsucht und dabei auch Beweismittel sichergestellt. Allgemein gehen die Ermittler u. a. dem Verdacht nach, dass mutmaßliche Schleuser Amtsträger in Behörden bestochen haben könnten, um für ihre ausländischen Klienten die gewünschte Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Laut Spiegel soll „Spelthahn von den fragwürdigen Chinageschäften der Gruppe gewusst und davon profitiert haben“, was dieser aber bestreitet.
Eingestanden hat Spelthahn aber bereits, dass der Fußballverein 1. FC Düren, dessen Präsident er ist, Sponsorengelder von zwei Firmen aus dem Umfeld des hauptbeschuldigten Anwalts bekommen habe.
Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft habe nach Spiegel-Informationen zudem bestätigt, dass wegen des Verdachts der Bestechlichkeit nun auch gegen Spelthahn ermittelt werde. Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet, dass der mutmaßliche Drahtzieher B. den Landrat in Vernehmungen schwer belastet habe. Spelthahn soll demnach über das Schleusersystem informiert gewesen sein. Grundlage dafür sind wohl die Aussageprotokolle des Anwalts B., die der Kölner Stadt-Anzeiger einsehen konnte. Laut B. „soll das zuständige Ausländeramt bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft eingeschleusten Personen auf Geheiß des CDU-Politikers gehandelt haben.“32 Im Zuge der erneuten Razzia wurden neben Spelthahns Wohnung 5 weitere Objekte durchsucht.
Weitere brisante Details brachte am 12.08.2024 ein Bericht eines ehemaligen Geschäftsführers der Stadtwerke Düren ans Tageslicht.33 Demnach war bei der Landratswahl 2009 wohl kein Geringerer als B., der als einer der Ersten im April verhaftet wurde und bis Anfang Juli in Untersuchungshaft saß, der Gegenkandidat von Wolfgang Spelthahn. B. gehörte dem Dürener Kreistag von 2009 bis 2014 an. Angeblich auf Initiative des Landrates Spelthahn wurde B. dann im Mai 2012 zum Geschäftsführer der I. GmbH gemacht. Der Landrat soll dabei bis 2015 im Aufsichtsrat von RWE Power und in verschiedenen Beiräten des Unternehmens gesessen haben. Spelthahn sei aktuell noch Vorsitzender des Verbandes der kommunalen RWE-Aktionäre GmbH (VkA). Auch bezüglich der Aktivitäten Spelthahns rund um sein Engagement beim Fußballverein FC Düren kamen brisante Details ans Tageslicht. Beim Trikotsponsoring tauchte angeblich eine gewisse „D&B Global Recruitment“ auf, bei der zufällig der Anwalt B. tätig war.34
Im Rahmen der Kleinen Anfrage 4100 ging es insbesondere um eine Einflussnahme gegenüber der Ausländerbehörde durch einen hohen CDU-Funktionär im Rhein-Erft-Kreis. Mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen wollte sich die Landesregierung nicht weiter äußern. Neu war der entlastende Hinweis, dass derzeit (Stand 15.07.2024) keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Bedienstete der Ausländerbehörde oder ein CDU-Funktionär im Rahmen der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen im Rhein-Erft-Kreis finanzielle Gegenleistungen erhalten haben.
Dazu heißt es auch Nachfrage in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4223, dass die Bediensteten des Ausländeramtes mit den Ermittlungsbehörden kooperiert und zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben. Zu keinem Zeitpunkt hätten die ermittelnden Polizeibehörden dagegen darauf hingewirkt, missbräuchlichen Anträgen stattzugeben oder bereits zu Unrecht erteilte Aufenthaltsgenehmigungen zu verlängern. Wie diese Aussage mit der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4022 zusammenpasst, wonach im Ausländeramt des Rhein-Erft-Kreises in den Jahren 2018 bis 2019 mutmaßlich 33 Aufenthaltserlaubnisse zu Unrecht erteilt wurden, muss momentan offenbleiben.
Zu möglichen Verwicklungen eines hohen CDU-Funktionärs wollte sich die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Kleinen Anfrage 4223 mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen dagegen nicht äußern. So stand bereits am 22.05.2024 u. a. der CDU-Kreisverband Rhein-Erft im Zusammenhang mit dem Schleuserskandal im Fokus eines Spiegel-Artikels. Damals hieß es: „Anders sieht es offenbar im Rhein-Erft-Kreis aus, wo die CDU ebenfalls mit Spenden bedacht wurde. Den Ermittlungen zufolge soll dort der langjährige Kreis- und frühere Bundestagsabgeordnete Willi Zylajew in der Verwaltung vorstellig geworden sein, womöglich auch im Sinne der Schleuser. Man arbeite nicht zusammen, soll der Politiker laut Akten einem Beschuldigten gesagt haben, aber wenn derjenige etwas für die CDU tun könne, freue er sich darüber. Laut Partei flossen über mehrere Jahre insgesamt 12.500 Euro aus dem Umfeld von B. an den Kreisverband Rhein-Erft. Ein Anwalt von Zylajew teilte auf Anfrage mit, sein Mandant habe „keine Kenntnis von kriminellen Schleuseraktivitäten gehabt, die dem beschuldigten Rechtsanwalt vorgeworfen würden. Zu keinem Zeitpunkt hat er diesen in Erwartung einer Spende oder als Gegenleistung hierfür unterstützt.“ Auch gegen Zylajew wird ermittelt.“
Zugleich geht aus einem Artikel des Kölner Stadt-Anzeigers hervor, dass ein „altgedienter CDU-Politiker“ im Auftrag des Anwalts und mutmaßlichen Banden-Chefs B. auf Entscheidungsträger der Verwaltung eingewirkt haben soll, um Aufenthaltsgenehmigungen gegen den Widerstand einer Mitarbeiterin im Ausländeramt durchzudrücken.
Die durchaus berechtigte Nachfrage, inwiefern es sich nach derzeitigem Ermittlungsstand um ein und dieselbe Person handelt, blieb aus ermittlungstaktischen Gründen unbeantwortet.
IV. Untersuchungsauftrag
Der Untersuchungsausschuss soll umfassend die Hintergründe und Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Einschleusung wohlhabender Migranten nach Nordrhein-Westfalen unter Umgehung ausländerrechtlicher Bestimmungen aufklären. Im Zentrum der Untersuchung steht die Frage, ob die Landesregierung ihrer Aufsichtspflicht gegenüber den kommunalen Ausländerbehörden und den zentralen Ausländerbehörden des Landes in ausreichender Weise nachgekommen ist. Insbesondere ist zu prüfen, ob das Ministerium des Innern, das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration sowie das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr frühzeitig Kenntnis von den illegalen Schleusertätigkeiten hatten und ob geeignete Maßnahmen ergriffen wurden, um diese zu unterbinden oder zu verhindern.
Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf der möglichen Einflussnahme und dem Fehlverhalten von Mitarbeitern kommunaler Ausländerbehörden. Es ist zu klären, ob unrechtmäßige Aufenthaltstitel ausgestellt wurden und ob diese Entscheidungen auf Druck von außen oder durch interne Korruption zustande kamen. Dabei wird der Ausschuss untersuchen, inwieweit Führungskräfte in den betroffenen Behörden über diese Vorgänge informiert waren und ob sie aktiv an den Entscheidungen beteiligt waren oder diese zumindest geduldet haben. Hierbei ist auch zu prüfen, ob die in den Ausländerbehörden geltenden Sicherheitsmechanismen, insbesondere die durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vorgeschriebenen Vorkehrungen, versagt haben und welche Schwachstellen dabei zutage getreten sind.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Untersuchung ist die mögliche Einflussnahme durch Parteifunktionäre auf Landes- oder kommunaler Ebene. Der Ausschuss soll untersuchen, ob Parteispenden, Schmiergelder oder andere Zuwendungen an politische Funktionsträger im Zusammenhang mit der Erteilung unrechtmäßiger Aufenthaltstitel standen und ob diese Zahlungen genutzt wurden, um unzulässige Entscheidungen zu erzwingen oder zu beeinflussen. Dabei ist zu klären, ob es strukturelle oder individuelle Verbindungen zwischen den beschuldigten Parteifunktionären und den betroffenen Behörden gab, die eine solche Einflussnahme ermöglicht haben könnten.
Darüber hinaus wird der Untersuchungsausschuss die Rolle von Anwälten, Lobbygruppen und privaten Akteuren untersuchen. Es ist zu klären, inwieweit die in den Skandal verwickelten Anwälte Falschangaben in Anträgen gemacht oder gefälschte Dokumente erstellt haben, um die Einreise der Migranten zu ermöglichen. Auch die Rolle von Lobbygruppen wie „Republic Affairs“ und „PKS Kommunikations- und Strategieberatung“ ist zu beleuchten, insbesondere ob diese Organisationen ihre Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern für illegale Zwecke genutzt haben. Zudem wird der Ausschuss prüfen, welche privaten Akteure, wie Geschäftsleute oder Vermittler, an den Schleusertätigkeiten beteiligt waren und in welchem Umfang sie durch finanzielle oder andere Vorteile in den Skandal verwickelt sind.
Ein weiterer zentraler Untersuchungsgegenstand betrifft die finanziellen Ströme und möglichen Geldwäscheaktivitäten. Der Ausschuss soll ermitteln, wie die Geldflüsse zwischen den eingeschleusten Migranten und den Schleusern organisiert wurden und welche Kanäle, wie etwa Anderkonten oder Scheinfirmen, genutzt wurden, um diese Gelder zu transferieren. Dabei wird auch zu klären sein, ob Hinweise auf systematische Geldwäsche vorliegen und welche Maßnahmen die Behörden ergriffen haben, um diese illegalen Geldtransfers zu unterbinden.
Ein wichtiger Punkt ist zudem die Untersuchung der Parteispenden und ihrer Verwendung. Der Ausschuss wird prüfen, ob Parteispenden im Zusammenhang mit dem Schleuserskandal gezielt eingesetzt wurden, um politische Unterstützung zu sichern oder behördliche Entscheidungen zu beeinflussen. Hierbei ist insbesondere zu untersuchen, inwieweit die gesetzlichen Meldepflichten für Parteispenden eingehalten wurden und ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass Spenden gestückelt wurden, um die Veröffentlichungspflicht zu umgehen.
Des Weiteren wird der Untersuchungsausschuss die Methoden und Strukturen der Schleuser-bande detailliert aufklären und untersuchen, inwieweit rechtliche Lücken im Aufenthaltsgesetz missbraucht wurden, um die Einschleusung zu ermöglichen. Dabei soll auch geprüft werden, ob die bestehenden gesetzlichen Regelungen ausreichend sind, um derartige Schleusertätig-keiten zu verhindern, und welche rechtlichen Anpassungen notwendig wären, um solche Missbräuche in Zukunft zu unterbinden.
Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf der zeitlichen Verzögerung bei den Ermittlungen. Der Ausschuss wird klären, warum es trotz erster Hinweise im Jahr 2018 so lange gedauert hat, bis es zu einer großangelegten Razzia kam, und ob es dabei zu Versäumnissen oder bewussten Verzögerungen durch die Behörden kam. Es soll untersucht werden, ob eine ausreichende Koordination und ein Informationsaustausch zwischen den betroffenen Behörden – etwa den Ausländerämtern, der Polizei und den Staatsanwaltschaften – stattfand und ob die Ermittlungen effizient und zielgerichtet durchgeführt wurden.
V. Untersuchungszeitraum
Der Untersuchungszeitraum beginnt am 1. Januar 2015 und endet am Tag der Einsetzung des Untersuchungsausschusses.
VI. Fragenkomplexe
Der Untersuchungsausschuss soll zur Klärung des Untersuchungsauftrages insbesondere, aber nicht nur klären:
- Beeinflussung der Arbeit der kommunalen Ausländerbehörden:
Ob und ggf. wann Mitarbeiter der kommunalen Ausländerbehörden unrechtmäßige Aufenthaltserlaubnisse ausgestellt haben und ob dies wissentlich oder unwissentlich geschah. Zu untersuchen ist neben dem genauen Ausmaß der Schleuseraktivitäten auch der Einfluss der jeweiligen Behördenleitung.
- Bestechung von Mitarbeitern der kommunalen Ausländerbehörden:
Ob und in welchem Umfang Mitarbeiter der kommunalen Ausländerbehörden von den Schleusern als Gegenleistung für die Unterstützung bei der Einschleusung Geld- und/oder Sachleistungen entgegengenommen haben und ob Mitarbeiter der kommunalen Ausländerbehörden durch Mitglieder des Schleuserrings direkt bzw. indirekt über Mittelsmänner unter Druck gesetzt wurden.
- Haben die Sicherheitsmaßnahmen in den kommunalen Ausländerbehörden versagt:
Ob und in welchem Umfang die Sicherheitsvorkehrungen in den kommunalen Ausländerbehörden, insbesondere nach dem Korruptionsbekämpfungsgesetz, versagt haben.
- Gab es Gegenleistungen für die Parteispenden:
Ob und in welchem Umfang es Gegenleistungen für die Parteispenden der Hauptverdächtigen gegeben hat, insbesondere im Zusammenhang mit den drei Einzelspenden à 9.990 Euro an der CDU-Kreisverband des Innenministers, Herbert Reul, sowie den Spenden an den SPD-Kreisverband Solingen. Generell ist zu klären, ab wann der hauptbeschuldigte Anwalt B. den ermittelnden Behörden bekannt war, ab wann er als Teil des Schleusernetzwerks angesehen und gegen ihn ermittelt wurde, wer innerhalb der Landesregierung Kenntnis davon hatte und insbesondere wann der Innenminister über die vermuteten Aktivitäten des ehemaligen CDU-Mitglieds B. unterrichtet wurde.
- Identität der derzeit 58 Hauptverdächtigen:
Welche Verbindungen es zwischen den Hauptverdächtigen des Schleuserskandals gegeben hat und welche Behörden bzw. private Organisationen in den Skandal verwickelt waren.
- Identität der eingeschleusten Personen:
Welche Verbindungen die eingeschleusten Personen untereinander sowie zu Unternehmen in Deutschland unterhalten (haben) sowie ob sich die eingeschleusten Personen noch in Deutschland befinden und wie mit ihnen ausländer- und strafrechtlich zu verfahren ist.35
- Methoden der Schleuserbande zur illegalen Einschleusung von Ausländern:
Wie die Einschleusung in den mindestens 2 Phasen im Detail abgelaufen ist und an welcher Stelle rechtliche Sichermaßnahmen versagt haben.
- Rolle des hauptbeschuldigten SPD-Funktionärs B. sowie der I. GmbH im Schleu-serskandal:
Ob und in welchem Umfang der SPD-Funktionär B. in den Schleuserskandal verwickelt war und ob die I. GmbH hierbei eine Rolle gespielt hat.
- Rolle der Dezernatsleiterin im Amt für Integrations- und Ausländerangelegenheiten der Stadt Düren, Sybille Haußmann, im Schleuserskandal:
Ob und wann Minister Oliver Krischer von den Vorgängen in der Dürener Ausländerbehörde Bescheid wusste und welche Kontakte der beiden zum hauptbeschuldigten SPD-Funktionär B. bestanden.
- Rolle der Lobbyfirmen „Republic Affairs“ und „PKS Kommunikations- und Strategieberatung“ im Schleuserskandal:
Ob und in welchem Umfang die Lobbyfirmen „Republic Affairs“ und „PKS Kommunikations-und Strategieberatung“ Kontakte zu China bzw. chinesischen Unternehmen unterhalten (haben) und ob dies im Zusammenhang mit dem Schleuserskandal steht.
- Geldfluss zwischen eingeschleusten Personen und Schleusern:
Wie die Geldleistungen der eingeschleusten Personen zu den Mitgliedern der Schleuserbande gelangten und wo diese Gelder geblieben sind bzw. mit welchem Verwendungszweck und durch wen die Gelder verausgabt wurden.
- Rolle der beiden hauptbeschuldigten Anwälte:
Welche Rolle im aktuellen Schleuserskandal die Anwälte B. und D. gespielt haben und welche Kontakte sie zu anderen Beschuldigten hatten.
- Nutzung des Paschas in Köln für illegale Aktivitäten:
Ob und in welchem Umfang die umgebaute Etage im Pascha zur temporären Unterbringung der eingeschleusten Personen oder gar zur Unterbringung chinesischer Spione genutzt wurde.
- Ablauf des bisherigen Ermittlungsverfahrens:
Warum es seit den ersten Anhaltspunkten im Jahr 2018 fast sechs Jahre bis zur großangeleg-ten Razzia im April 2024 gebraucht hat.
- Lücke im Aufenthaltsgesetz im Zusammenhang mit nichterwerbstätigen wohlhabenden Ausländern:
Inwiefern Nachbesserungen im Aufenthaltsgesetz notwendig sind, um nichterwerbstätigen vermögenden Ausländern unter gewissen Umständen einen legalen Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen.
- Rolle des Ex-Landrats Werner Stump im Schleuserskandal:
Ob und in welchem Umfang Werner Stump direkt oder indirekt an den Aktivitäten des Schleu-sersetzwerks beteiligt war.
- Rolle des Landrats Wolfgang Spelthahn im Schleuserskandal:
Ob und in welchem Umfang Wolfgang Spelthahn direkt oder indirekt an den Aktivitäten des Schleusernetzwerks beteiligt war.
- Beteiligung weiterer Akteure im Schleuserskandal:
Ob neben den derzeit 58 Beschuldigten weitere Personen am Schleuserskandal beteiligt waren und welche Rolle sie dabei gespielt haben.
- Rolle des Solinger SPD-Oberbürgermeisters Tim Kurzbach im Schleuserskandal:
Welche Verbindungen des Oberbürgermeisters gibt es zum Hauptbeschuldigten Anwalt B.? Hat dieser Einfluss auf die Arbeit der kommunalen Ausländerbehörde ausgeübt?
- Rolle von Vertretern der Landesregierung im Schleuserskandal:
Welche Rolle spielten die geschilderten Kontakte von Vertretern der Landesregierung (bis hin zur Staatskanzlei) zu den Hauptbeschuldigten des Schleuserskandals? Gab es eine Mitwisser- oder gar eine Mittäterschaft?
- Rolle der Unternehmensberatungen im Schleuserskandal:
In welchem Umfang haben Unternehmensberatungen, die von den Schleusern beauftragt wurden, zur Erleichterung der illegalen Einreise von Migranten beigetragen und welche Verbindungen bestanden zu Behörden oder politischen Entscheidungsträgern?
- Verbindungen zu ausländischen Geheimdiensten:
Gibt es Hinweise darauf, dass ausländische Geheimdienste, insbesondere aus China, in den Schleuserskandal involviert waren, und welche Rolle spielten dabei Kontakte zu deutschen Behörden oder Privatpersonen?
- Aufarbeitung interner Korruptionsverdachtsfälle:
Wie wurde intern mit Korruptionsverdachtsfällen in den betroffenen Ausländerbehörden umgegangen, und inwiefern wurden die Ermittlungen durch interne Verfahren behindert oder unterstützt?
- Zuverlässigkeit von Hintergrundüberprüfungen:
In welchem Umfang wurden Hintergrundüberprüfungen der Migranten, die im Rahmen des Schleuserskandals eingeschleust wurden, durchgeführt und inwieweit waren diese Überprüfungen mangelhaft oder manipuliert?
- Einflussnahme auf die Medienberichterstattung:
Inwiefern gab es Versuche, die Medienberichterstattung über den Schleuserskandal durch politische oder wirtschaftliche Akteure zu beeinflussen, um den Skandal zu vertuschen oder abzuschwächen?
VII. Schlussfolgerungen
Auf dieser Grundlage soll der Untersuchungsausschuss zudem insbesondere prüfen und Empfehlungen dazu geben,
- ob und inwiefern es gesetzgeberischen Änderungsbedarf gibt, um die illegale Einschleusung von (wohlhabenden) Ausländern in das Bundesgebiet effektiver unterbinden zu können;
- ob es zwischen den kommunalen Ausländerbehörden, den zentralen Ausländerbehörden und der Zentralstelle Fachkräfteeinwanderung NRW (ZFE NRW) einen organisatorischen Änderungsbedarf im Zusammenhang mit Aufnahme von Ausländern zum Zweck der Erwerbstätigkeit gibt;
- ob es einer Verschärfung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes in korruptionsgefährdeten Bereichen der Ausländerbehörden bedarf;
- ob es einer besseren Abstimmung mit den deutschen Konsulaten im Ausland sowie ausländischen Behörden im Zuge der Fachkräfteeinwanderung bedarf;
- ob und inwiefern es gesetzgeberischen Änderungsbedarf in Bezug auf Parteispenden bedarf;
- wie der Einfluss von Parteifunktionären auf Entscheidungsträger in den Ausländerbehörden noch effektiver unterbunden werden kann;
- ob es in Bezug auf die Möglichkeiten zur Erlangung eines temporären bzw. permanenten Aufenthaltstitels für nichterwerbstätige, aber vermögende Drittstaatsangehörige eines Änderungsbedarfs im Ausländerrecht, hier insbesondere im Aufenthaltsgesetz (§ 7), bedarf sowie
- ob es einen grundlegenden Änderungsbedarf bei der statistischen Erfassung von Korruptionsstraftaten durch Amtsträger gibt.
VIII. Teilweiser und vollständiger Abschlussbericht
Der Untersuchungsausschuss wird beauftragt, soweit möglich nach Abschluss seiner Untersuchungen dem Landtag gemäß § 24 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags NRW einen Abschlussbericht vorzulegen. Sollte ein Abschlussbericht nicht vorgelegt werden können, hat der Untersuchungsausschuss auf Verlangen des Landtages oder der Antragsteller über abtrennbare Teile des Einsetzungs-auftrages dem Landtag einen Teilbericht zu erstatten, wenn die Beweisaufnahme zu diesem Teil abgeschlossen und der Bericht ohne Vorgriff auf die Beweiswürdigung der übrigen Untersuchungsaufträge möglich ist.
Der Landtag kann darüber hinaus vom Untersuchungsausschuss jederzeit bei Vorliegen eines allgemeinen öffentlichen Interesses oder wenn ein Schlussbericht vor Ablauf der Wahlperiode nicht erstellt werden kann, einen Zwischenbericht über den Stand der Untersuchungen verlangen. Dieser darf eine Beweiswürdigung nur solcher Gegenstände der Verhandlungen enthalten, die der Untersuchungsausschuss mit zwei Dritteln seiner Mitglieder beschlossen hat. Der Abschlussbericht, der Teilbericht oder der Zwischenbericht erfolgen schriftlich.
IX. Einholung externen Sachverstandes
Der Untersuchungsausschuss kann jederzeit externen Sachverstand einholen, sofern dieser zur Erfüllung des Auftrags notwendig ist und im unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag steht. Ebenso darf externer Sachverstand zur Klärung von Fragestellungen in Anspruch genommen werden, wenn Rechte des Untersuchungsausschusses oder damit in Verbindung stehende Verfahrensfragen von grundlegender oder auch situativer Notwendigkeit betroffen sind, ohne deren Beantwortung ein Fortführen der Untersuchung nicht oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung möglich ist. Die hierzu notwendigen Mittel sind dem Ausschuss zu gewähren.
X. Ausstattung und Personal
Dem Untersuchungsausschuss und
den Fraktionen werden bis zum Ende des Verfahrens zur Verfügung gestellt:
- Allen Fraktionen und den Mitarbeitern des Ausschusses werden die erforderlichen Räume im Landtag und die entsprechenden technischen Ausstattungen zur Verfügung gestellt.
- Dem Ausschuss und dem oder der Vorsitzenden werden gestellt:
- zwei Stellen für Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Laufbahngruppe 2.2 und
- eine weitere personelle Unterstützung aus der Laufbahngruppe 2.2 oder 2.1 sowie aus dem Assistenzbereich.
- Den fünf Fraktionen im Landtag werden gestellt:
- Die erforderlichen Mittel für je zwei Stellen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Laufbahngruppe 2.2 sowie
- eine Stelle zur Assistenz.
Bezogen auf die Abrechnung können wahlweise Pauschalbeträge bis zur Verabschiedung des Untersuchungsausschussberichts je angefangenem Monat der Tätigkeit gewährt werden. Alternativ werden die Kosten des tatsächlichen Personaleinsatzes abgerechnet.
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith
Enxhi Seli-Zacharias
Sven W. Tritschler
Markus Wagner
Christian Loose
Dr. Christian Blex
Dr. Hartmut Beucker
Carlo Clemens
Klaus Esser
Prof. Dr. Daniel Zerbin
Zacharias Schalley
und Fraktion
3 Ebd.
4 Ebd.
5 Ebd.
7 Ebd.
8 Ebd.
10 Vgl. Lt.-Drucksache 18/8986
11 Vgl. Apr. 18/851
12 Vgl. Lt.-Vorlage 18/2611
13 Vgl. Lt.-Vorlage 18/2771
14 Vgl. Lt.-Drucksache 18/9554 und Plenarprotokoll 18/67 (TOP 10)
15 Vgl. Lt.-Drucksachen 18/9665, 18/9762, 18/9704, 18/9668, 18/9706, 18/9933, 18/9655, 18/9653,
18/9929, 18/9894, 18/9836, 18/9834, 18/10119, 18/10182, 18/10135, 18/10169, 18/9928, 18/9950, 18/10033, 18/10077 und 18/10111
16 Vgl. Lt.-Drucksachen 18/9676, 18/10145, 18/10158 und 18/10354
19 Vgl. Lt.-Vorlage 18/2771
20 Vgl. https://www.northdata.de/PKS+Kommunikations-+und+Strategieberatung+GmbH,+Berlin/Amts-gericht+Charlottenburg+%28Berlin%29+HRB+107105+B; https://www.companyhouse.de/p/Xia-Pan-zhfQwgd6okiW3Xxz7n5qekiGW3U und https://www.companyhouse.de/p/6BssbYME8nembGCQnvfs-ZkgUSmw
24 Vgl. https://www.ksta.de/politik/nrw-politik/nrw-mutmasslicher-schleuser-chef-hatte-zahlreiche-kon-takte-zur-landesregierung-834711 und https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/mutmasslicher-schleuser-traf-sich-mit-regierungsmitgliedern-19886314.html und https://www.waz.de/politik/ar-ticle406910209/warum-der-schleuser-boss-zugang-zur-nrw-staatskanzlei-hatte.html
25 Ebd.
26 Ebd.
28 Vgl. Lt.-Drucksache 18/10220
33 Vgl. https://ansage.org/die-schleuser-von-dueren/
34 Ebd.